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Werden wir wirklich gut gebildet?!

Nachgefragt bei der Bildungsministerin von M-V, Birgit Hesse

Die Ferienzeit ist längst vorbei. Der vermeintliche „Ernst des Lebens“, die Schule, hat längst wieder begonnen. Während die Begeisterung bei den jüngsten Schülerinnen bzw. Schülern noch grenzenlos ist, so ist diese Begeisterung bei den reiferen Schülerinnen bzw. Schülern nicht mehr so ausgeprägt.

Gerade das Thema „Bildung“ bewegt oftmals die Gemüter – neben dem „Fußball“ oder der „Gesundheit“ – was nicht zuletzt daran liegen dürfte, dass sich jede/jeder dazu berufen fühlt, ihre bzw. seine Ansichten zum Bildungssystem darzulegen. Jede/jeder ging ja einmal zur Schule, machte da spezielle Erfahrungen und zog daraus einige Schlüsse.

Zurzeit gibt es Kritik am Bildungssystem in Deutschland, speziell auch in M-V. So seien angeblich zu wenig Pädagogen vorhanden, noch dazu schlecht bezahlt, die Größen der Klassen zu umfangreich, die Ausstattung der Schulen mangelhaft, die Digitalisierung sei an den Schulen ebenfalls verschlafen worden und die Unterrichtsinhalte zu wenig praxisbezogen. Kurzum – auch M-V sei auf dem Weg in den „Bildungs-Notstand“…

Ist es aber tatsächlich so?!

Nachgefragt bei MV-Bildungsministerin Birgit Hesse

 

Birgit Hesse zur Entwicklung des Bildungswesens in M-V in den letzten Jahren, die Bedeutung des Digitalpakts für den Schulbereich, über fehlende Pädagogen und pädagogische Seiteneinsteiger, die Motivation der Schülerinnen bzw. Schüler, die „Besonderheiten“ im Bildungswesen von M-V und warum auch Mathe sein muß…

 

„Unsere Schulen stehen auch vor großen Herausforderungen…“

 

Frage: Für die Opposition im Land haben wir bereits so etwas wie einen „Bildungsnotstand“. Wie sehen Sie, Frau Ministerin Hesse, die Entwicklung im Bildungsbereich in den letzten Jahren? Was lief sehr gut? Wo gibt es tatsächlich dringend Nachhole-Bedarf?

Die Bildungsministerin von M-V, Birgit Hesse. Foto: Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur M-V

Birgit Hesse: Ich halte gar nichts davon, tagtäglich ein Katastrophen-Szenario heraufzubeschwören, wie es die Opposition tut. Das hilft überhaupt nicht weiter. Unsere Schulen sind viel besser als ihr Ruf.

In den vergangenen Jahren ist gerade im Bildungsbereich sehr viel passiert: Wir haben den Lehrerberuf attraktiver gemacht. Grundschülerinnen und Grundschüler lernen nach einem Mindestwortschatz und erhalten in der Jahrgangsstufe 1 bzw. 2 mehr Deutschunterricht.

Wir bauen Schritt für Schritt das Netz der Ganztagsschulen aus und haben die Qualität der Ganztagsangebote verbessert. Schülerinnen und Schüler, die eher ländlich wohnen, sollen so attraktive Nachmittagsangebote erhalten.

Aber unsere Schulen stehen auch vor großen Herausforderungen, zum Beispiel bei der Digitalisierung. Der Digitalpakt kann unseren Schulen einen großen Modernisierungsschub verleihen. Doch dazu wäre es wichtig, dass die Länder die Mittel vom Bund endlich erhalten. Wir warten schon sehr lange.

Frage: Es wird „von vielen Seiten“ immer von fehlenden Pädagogen im Land gesprochen. Fehlen wirklich „überall“ Pädagoginnen und Pädagogen oder ist der Mangel an diesen „punktuell“ bei verschiedenen Fächern oder Regionen in M-V?

Birgit Hesse: Lehrerinnen und Lehrer sind in Deutschland derzeit gefragt, weil viele Bundesländer einen sehr großen Bedarf haben. Ich gehe davon aus, dass sich der Wettbewerb untereinander weiter verschärfen wird. Mit den Einstellungen zum neuen Schuljahr können wir alles in allem zufrieden sein.

Mecklenburg-Vorpommern hat 639 Lehrerinnen und Lehrer eingestellt. Ich freue mich über alle, die sich für eine Schule hier bei uns entschieden haben. Sie haben eine gute Wahl getroffen.

Von einem breiten Lehrermangel in Mecklenburg-Vorpommern würde ich nicht sprechen. Wir haben jedoch einen großen Ersatzbedarf – heute und in den kommenden Jahren, weil viele Lehrerinnen und Lehrer in den Ruhestand geben. Diese Stellen zu besetzen ist für unser Land eine Kraftanstrengung.

Frage: Auch Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger in den pädagogischen Bereich sollen ja eine Chance bekommen, also Geisteswissenschaftler, Naturwissenschaftler, Ingenieure oder Informatiker, die nun kein Lehramtsstudium vorweisen, also keine Erfahrungen mit Methodik, Didaktik und langjährigen Umgang mit Schülern haben…

Leider erhalten diese erst eine derartige Qualifizierung, wenn sie bereits das Glück hatten, im Schuldienst arbeiten zu können. Ist es nicht sinnvoller, dass diese bereits vor einer Lehrer-Tätigkeit diese Qualifizierung absolvieren können?

Birgit Hesse: Wir können es uns derzeit nicht leisten, auf Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger an den Schulen zu verzichten. Ich halte auch nichts davon, ihren Einsatz an den Schulen pauschal zu verteufeln.

Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger haben in der Regel ein Hochschulstudium in einem Fach absolviert, das einem Unterrichtsfach ähnelt. Das Fachwissen ihrer Disziplin bringen sie also mit.

Wir müssen Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger aber besser begleiten. Zu Beginn dieses Schuljahres gibt es erstmals einen dreiwöchigen Kompaktkurs. In diesem Kurs erhalten sie das pädagogische Rüstzeug. Anschließend gibt es die berufsbegleitende Qualifizierung. Wir prüfen momentan, was wir noch unternehmen können, um die Qualifizierung von Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteigern zu verbessern.

Frage: Mecklenburg-Vorpommern hat große Traditionen auch im Schulbereich. So feiert in diesem Jahr das Fridericianum Schwerin seinen 200.Geburtstag. Was zeichnet das Bildungssystem in M-V 2018 aus? Welche Traditionen sollten erhalten bleiben? Viele meinen ja, dass die Disziplin, die Achtung vor dem „Lehrkörper“ und der Fleiß bei den Schülern früher besser bzw. größer waren…

Birgit Hesse: Mit den Besonderheiten ist das so eine Sache. In der Kultusministerkonferenz haben wir uns auf Bildungsstandards verständigt, die deutschlandweit gelten. So wollen wir erreichen, dass Schülerinnen und Schüler dieselben Bildungsziele verfolgen – ob sie in Mecklenburg-Vorpommern die Schule besuchen oder in Bayern. Ich setze mich darüber hinaus für vergleichbare Schulabschlüsse ein.

Vergleichbarkeit schränkt Einzigartigkeit ein. In Mecklenburg-Vorpommern entwickeln wir die gymnasiale Oberstufe weiter, führen Grund- und Leistungskurse ein und reduzieren die Zahl der Prüfungsfächer auf erhöhtem Niveau.

Zu den Traditionen zählt sicherlich, dass in Ostdeutschland auf den Unterricht in Mathematik und in den Naturwissenschaften seit Jahrzehnten viel Wert gelegt wird. Die Leistungen unserer Schülerinnen und Schüler in Mathematik und in den Naturwissenschaften haben ein hohes Niveau. Im letzten IQB-Ländervergleich landete Mecklenburg-Vorpommern, wie alle anderen ostdeutschen Länder, in der Spitzengruppe.

Letzte Frage: Die jüngsten Schülerinnen und Schüler sind von der Schule noch begeistert. Dann erlahmt diese Begeisterung zunehmend… Woran liegt es aus Ihrer Sicht… Ist der Unterrichtsstoff „zu trocken“? Muss sich ein Mathe-Hasser weiterhin mit der höheren Mathematik herumschlagen, obwohl die Zeit für das Erlernen einer weiteren Sprache sinnvoller wäre? Was muss sich ändern, damit die Begeisterung für die Schule auch im reiferen Alter bleibt?

Birgit Hesse: Ich finde nicht, dass wir ein Fach gegen das andere ausspielen sollten. Im Übrigen wird die Begeisterung bei Schülerinnen und Schülern verschieden sein. Kommt also ganz darauf an, wen sie fragen.

Wir dürfen auch nicht vergessen, dass Schülerinnen und Schüler in ihrer Schullaufbahn verschiedene Entwicklungsphasen durchmachen. In der Pubertät ist die Lust von Jugendlichen oft geringer ausgeprägt, weil sie viele andere Sachen im Kopf haben.

Ich glaube, wenn die Lehrerin oder der Lehrer motiviert ist und abwechslungsreichen Unterricht bietet, dann springt die Begeisterung auch auf die Schülerinnen und Schüler über.

Vielen Dank und weiterhin bestes Engagement für das Bildungswesen in M-V!

M.Michels

 

 

 


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