„Sein Metier war das Wort, der Text, das Buch und alles was damit zusammenhängt…“
Über den gebürtigen Schweriner Verleger und Literaten Alfred Richard Meyer, alias „Munkepunke“, und dessen Schaffen
Alfred Richard Meyer, alias „Munkepunke“, gehörte im letzten Jahrhundert zu den herausragenden Schriftstellern, der jedoch nicht nur literarisch überzeugte, sondern auch als Verleger und als Literat sehr erfolgreich war. Der 1882 in Schwerin geborene Alfred Richard Meyer, 1956 in Lübeck verstorben, ist in seiner Geburtsstadt hingegen leider fast vergessen.
Dabei war er sogar der erste Schweriner, der sogar an den Olympischen Spielen teilnahm. Seinerzeit, bei den X.Olympischen Spielen 1932 in Los Angeles, gehörten noch die Kunstwettbewerbe, die Bereiche „Baukunst“, „Literatur“, „Musik“, „Malerei und Grafik“ bzw. die „Bildhauerkunst“, zum olympischen Programm. Alfred Richard Meyer gewann damals übrigens zwar nicht, dafür aber der Bergsteiger und Schriftsteller Paul Bauer (1896-1990) aus der Nordpfalz für sein Buch „Am Kangehenzonga – Kampf um den Himalaya“ (1931).
Mehr als 100 Bücher verfasste Alfred Richard Meyer. Als Verleger entdeckte er Joachim Ringelnatz, Else Lasker-Schüler, Gottfried Benn, Hans Carossa oder Alfred Lichtenstein.
Wie beurteilt nun seine Enkelin Heliane Keller, geborene Meyer, das Schaffen Ihres Großvaters?!
Der SCHWERIN-BLOG fragte nach
Heliane Keller über das lietrarische Schaffen ihres Großvaters, Alfred Richard Meyer, seine Entwicklung, die Zeit vor bzw. während der NS-Diktatur, seine Flucht nach Lübeck, ihre Gespräche mit ihm und seine literarische Bedeutung
„Sein Metier war das Wort, der Text, das Buch und alles was damit zusammenhängt…“
Frage: Frau Keller, Ihr Großvater war ein Universal-Künstler, ein großer Literat, der in Schwerin geboren wurde. Welche Bedeutung hatte für ihn seine Geburtsstadt. Spielte diese in Gesprächen zwischen ihm und Ihnen auch eine Rolle? Hatte er eine gewisse Verbundenheit zur heutigen Landeshauptstadt von M-V?
Heliane Keller: Gegen das Wort „Universalkünstler“ möchte ich mich ein wenig wehren, denn das weckt die Vorstellung, dass er auch eventuell handwerklich tätig war. Dazu schreibt er selber in seinen Lebenserinnerungen 1950: „Ich hätte auch ein Handwerk erlernen sollen, heute ist es zu spät; und ich bin überhaupt so ein ungeschickter Mensch mit der Hand.“. Sein Metier war das Wort, der Text, das Buch und alles was damit zusammenhängt.
An einer anderen Stelle seiner Memoiren berichtet er über Erinnerungen an seine Geburtsstadt Schwerin, in der er nur bis 1888 gelebt hat: „Schwerin in Mecklenburg – das Schloß, der Pfaffenteich, das ist mir in blasser Erinnerung geblieben, dazu die Spukgeschichte vom grauen Petermännchen, das immer vor einem Unglück oder einem Todesfall angeblich im oder vor dem Schloß erschien.“.
Da ich zum Zeitpunkt des Todes meines Großvaters 1956 erst neun Jahre alt war, habe ich ihn leider nur selten gesehen. Er wohnte in Lübeck in Westdeutschland und wir bis 1952 in der damaligen Ostzone. Es war sehr schwierig und kostspielig, von einer Zone in die andere zu reisen. Aber wenn wir uns sahen bzw. trafen, beinhalteten unsere Gespräche Kinderthemen, Märchenhaftes und Alltägliches.
Mein Großvater mußte ja in seiner Jugend aufgrund des Berufes seines Vaters – dieser war Geheimer Postrat – alle zwei bis vier Jahre umziehen, daher ergab sich kein wirkliches Heimatgefühl zu einem seiner Wohnorte. Erst später, nach seinem Jura-Studium etwa 1905, übersiedelte er nach Berlin, wo er bis 1945 auch blieb.
Bereits im Jahr 1907 gründete er seinen Verlag, lernte die bunte Schriftsteller- und Künstlerszene Berlins bestens kennen und hatte seinen Lebensmittelpunkt dort.
Frage: Für Sie persönlich… Welchen Stellenwert, welche Bedeutung hat für Sie persönlich das literarische Schaffen Ihres Großvaters?
Heliane Keller: Obwohl wir meinen Großvater so selten sahen, stand die Familie in ständigem brieflichen Kontakt. Seine Bücher und herausgegebenen Schriften standen natürlich bei uns im Bücherregal und mein jugendliches Interesse an diesem bekannten Großvater war natürlich groß.
Aber erst als ich 1989 seinen gesamten restlichen Nachlass nach dem Tode seiner dritten Frau Dorothee Meyer, geborene Hönsch, übernehmen durfte, befasste ich mich näher mit dem umfangreichen Material.
Ich richtete eine Website für ihn ein: www.munkepunke.de, über die ich viele interessierte und interessante Anfragen bekam und über die sich einige mehr oder weniger umfangreichen Projekte entwickelten.
Es zeigt, dass mein Großvater Alfred Richard Meyer, alias „Munkepunke“, nicht vergessen ist und man sich für seine Arbeit und sein Wirken im ersten Drittel des letzten Jahrhunderts noch immer interessiert.
Frage: Er war zudem Entdecker späterer großer Schriftstellerinnen und Schriftsteller. Für ihn persönlich… Was waren seine bevorzugten Autorinnen und Autoren?
Heliane Keller: Das ist eine schwierige Frage für mich! Ich weiß, dass sich mein Großvater eigentlich für alle Schriftsteller und jegliche literarische Richtung interessierte.
Er las eigentlich alles und sammelte die wunderbarsten Ausgaben. Leider ist seine umfangreiche Bibliothek mit allen Briefen und Notizen in den letzten Tagen des zweiten Weltkrieges verbrannt und er mußte nach seiner Flucht nach Lübeck wieder ganz von vorn anfangen. Das ging nur, weil alle seine Freunde ihm seine selbstverlegten Bücher bzw. Schriften nach und nach wieder schenkten und ihm auch sonst viel überließen.
Seine große Zeit begann etwa 1907 mit der Gründung seines Verlages. Er bewegte sich in den literarischen Kreisen der brodelnden Hauptstadt und kannte praktisch alle, die damals Rang und Namen hatten. Und alle kannten ihn, der sich seit 1913 sein Pseudonym „Munkepunke“ zulegte, unter dem er viel Humoriges veröffentlichte. Nach dem Krieg veröffentlichte er dann nur noch wenig.
Frage: An den olympischen Kunstwettbewerben 1932 nahm Ihr Großvater ja ebenfalls teil. Hat er über seine Erlebnisse während der Spiele 1932 auch mit Ihnen gesprochen? Gibt es Erinnerungen von ihm dazu?
Heliane Keller: Die Information, dass mein Großvater Alfred Richard Meyer an den Olympischen Spielen 1932 in Los Angeles teilgenommen hat, ist für mich eine ganz große Überraschung. Es ging dabei sicher um die Einsendung eines entsprechenden Textes, denn ich wüsste nicht, dass er jemals in den USA gewesen wäre…
Frage: Einige Linke halten Ihrem Großvater vor, dass er NSDAP-Mitglied war, auch Publikationen veröffentlichte, die am nationalsozialistischen Zeitgeist angepasst waren. Gleichzeitig verteidigte er jedoch auch das Schaffen jüdischer Autoren während der NS-Zeit. Wie erklären Sie sich den Widerspruch im damaligen Handeln Ihres Großvaters?
Heliane Keller: Schon vor dem Krieg, ab 1922, war mein Großvater der Vorsitzende des „Kartells Lyrischer Autoren“, das dann zwangsweise in die „Reichsschrifttumskammer“ überführt wurde.
In dieser Stellung war er natürlich in eine Zwickmühle geraten: Einerseits wollte er den verfolgten Schriftsteller-Kolleginnen bzw. -Kollegen und deren Familien helfen, andererseits beobachtete man ihn ständig und ihm waren die Hände durch die damaligen Gesetze gebunden. Er konnte also nur in sehr begrenztem Maße Hinweise geben, Texte verschwinden lassen, beschützen und das Schlimmste verhindern.
Man sah ihm genau auf die Finger und schloss sogar 1939 seinen Verlag wegen „missliebiger“ Veröffentlichungen. Es war sicher eine außerordentlich schwierige Gratwanderung, deren Ausmaß und Schwierigkeiten man sich heute als freidenkender Mensch nicht mehr vorstellen kann!
Letzte Frage: Gab es überhaupt schon einmal Reaktionen aus Schwerin im Hinblick auf das Schaffen Ihres Großvaters in den letzten vier Jahrzehnten?
Heliane Keller: Nein, Sie sind der erste, der nach meinem Großvater fragt und ich freue mich, Ihnen Antworten geben zu können, die hoffentlich ein wenig interessieren. Vielleicht regen diese auch den einen oder anderen an, sich näher mit dem Schaffen bzw. dem Werk von Alfred Richard Meyer, meinem Großvater, zu befassen, um ihn kennen zu lernen…
Vielen Dank und weiterhin alles erdenklich Gute!
Marko Michels