Wo ist der „politische G-Punkt“?!
Viel los zurzeit in Schwerin, M-V und der Welt…
Gerade besuchte einer von Deutschlands besten Schauspielern „aller Zeiten“ die Landeshauptstadt. Hardy Krüger stellte sein Projekt „Gemeinsam gegen rechte Gewalt“ im Schweriner Rathaus vor. In Österreich, beim dortigen Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes, wurden fast zeitgleich rund 800 Biografien österreichischer Opfer der Stalin-Diktatur publiziert.
Blick zurück und doch nach vorn
Ähnliches würde man sich auch hierzulande wünschen, denn gerade den Opfern der stalinistischen Diktatur wird immer noch zu wenig Aufmerksamkeit zuteil. Aber wahrscheinlich liegt das daran, dass in Deutschland, in M-V sich zunächst vor allem den Tätern gewidmet wird, während diejenigen, die aufbegehrten, „außen vor“ bleiben.
Und die Argumentation dazu ist oftmals niederträchtig, gerade in Deutschland. Man solle doch nicht immer in der Vergangenheit leben, wer das tue, könne die Gegenwart bzw. die Zukunft nicht meistern und verliere den Anschluss an den „Fortschritt“.
Immer „an der Seite“ des Fortschritts
Nun fragt sich nur, worin dieser Fortschritt besteht? Zurzeit toben weltweit 57 Kriege und kriegerische Auseinandersetzungen, sind so viele Menschen auf der Flucht, wie seit Ende des zweiten Weltkrieges nicht mehr. Der Umweltfrevel ist größer denn je, gesteckte „Klima-Ziele“ der etablierten Industrie-Nationen werden weitgehend verfehlt. Es wird auf „Teufel-komm-raus“ ge- bzw. bespitzelt, wie die Machenschaften von NSA, BND & Co. beweisen. Europa, bis auf Deutschland, befindet sich in wirtschaftlich schwierigstem Fahrwasser. Und im „großen Sport“, nicht nur bei der FIFA, herrschen Korruption, Geldschneiderei und werden alte Doping-Sünden durch neue ersetzt.
Auch der Papst Franziskus äußert sich zur aktuellen globalen Entwicklung mehr als besorgt. Bei seinem aktuellen Besuch in Sarajevo mahnte er, dass es bereits eine Art dritten Weltkrieg gebe, der stückweise geführt werde, wobei er auch bei der globalen Kommunikation ein Klima des Krieges wahr nehme.
G 7 vorne weg
Und inmitten dieser ganzen Desaster, ob in Wirtschaft, Politik, Kultur oder Sport, präsentieren sich die Regierungschefs der sieben „führenden“ Industrie-Länder als Protagonisten – sorry, es ist auch eine Protagonistin dabei – „des politischen Dauer-Lächelns“.
Auf Schloss Elmau, in bayrischer Idylle also, wurde ein mindestens 360 Millionen Euro teures Spektakel der schönen Bilder geboten – eine der teuersten politischen Marketing-Veranstaltungen aller Zeiten. Beschlossen wurde nichts wirklich, aber das spielt ja auch keine Rolle. Hauptsache, man habe freundschaftlich und sachlich miteinander geredet – auch das sei schon „viel wert“. So oder so Ähnlich äußerte sich dazu nicht nur die „große Politik“, nein, sogar manche Sekundärmedien. Da fragt man sich schon: Wo bleibt der kritische Journalismus?! Wahrscheinlich ist der irgendwo zwischen dem G 8-Gipgel in Heiligendamm 2007 und dem G 7-Gipfel auf Schloss Elmau 2015 abhanden gekommen. „(Presse-)Nachtigall, ick hör dir trapsen!“.
Probleme übersehen?!
Welche Probleme wurden denn konkret „angepackt“?! Zu Recht kann und muss das Verhalten der russischen politischen Administration in der Krim- und Ostukraine-Frage scharf kritisiert werden. Wo bleibt indes die Neigung zur Selbstkritik bei den G 7-Darstellern.
Haben nicht etwa auch die dilettantischen Vertragsverhandlungen zwischen der EU und der damaligen ukrainischen Regierung 2013 die Lage mit eskalieren lassen?! Boykott-Maßnahmen und Abgrenzungen, ganz gleich von wem, waren immer ein schlechter Weg, um diplomatische und friedliche Lösungen zu erreichen! Das, was jetzt die G 7er im Hinblick auf Russland äußerten, ist doch nur destruktiv, überhaupt nicht konstruktiv.
Vor allem: So macht man aus Putin einen Märtyrer und das russische Volk wird förmlich an dessen Seite geschweißt. Denn: Putin ist nicht Russland und es gibt viele Russinnen bzw. Russen, die dessen Politik kritisch hinterfragen. Anstatt auf diese jungen Russinnen und Russen zuzugehen, werden sie – dank der westlichen Embargo-Politik – in Sippenhaft genommen. Geistreiche Politik mit Perspektive geht aber anders!
Auf der Suche nach dem politischen „G-Punkt“
Vielleicht waren Obama, Merkel, Hollande & Co. in den bayrischen Bergen aber nur auf der Suche nach dem „großen G“ und fanden dabei ihren speziellen „politischen G-Punkt“. Die zur Schau gestellte Selbstzufriedenheit beim derzeitigen G 7-Gipfel – zwischen Bierglas, Wiesen und „Alm Öhi“ – lässt den einigermaßen denkfähigen politisch Interessierten nur den Kopf schütteln.
Vor allem auch, wer sitzt dort eigentlich… Japan, Italien, Frankreich und auch Großbritannien sind selbst in immensen wirtschaftlichen Schwierigkeiten, gibt es dort katastrophale innenpolitische Probleme. Und auch die USA, Kanada oder Deutschland sind beileibe keine Orte der Glückseligkeit. Die Schere zwischen Arm und Reich geht auch dort enorm auseinander, die Zustimmung zu den vermeintlich demokratischen Parteien in diesen Ländern nimmt weiter ab und die Wahlbeteiligung erreicht Tiefststände.
Moralische Ansprüche und kein Sinn für andere Wichtigkeiten
Vor allem missfällt der hohe moralische Anspruch der G 7-Staaten angesichts der Realitäten in diesen Ländern. Zumal es wichtigere Veranstaltungen als diese Marketing-Veranstaltung für die Region Garmisch-Partenkirchen gibt, wobei die Einheimischen gern auf dieses Event verzichtet hätten…
Vom 9. bis 10.Juli findet im russischen Ufa der siebente Gipfel der BRICS-Staaten statt – nach Jekaterinenburg 2009, Brasilia 2010, Sanya 2011, New Delhi 2012, Durban 2013 und Fortaleza 2014. Allein: In Deutschland wird man dazu nur wenig informiert – über dieses wirklich wichtige politische Ereignis dieser informellen Vereinigung der größten Schwellenländer, die mehr als 40 Prozent der Weltbevölkerung repräsentieren und rund 27 Prozent des weltweiten Bruttoinlandproduktes erwirtschaften.
Zu den BRICS-Staaten gehören dabei Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika, die für das globale wirtschaftliche Wachstum unerlässlich sind. Ohne deren politische Einflußnahme ist zudem die Lösung globaler Probleme unmöglich. Und kulturell und sportlich haben dieses auch einiges zu bieten…
Kritik an den dortigen politischen Defiziten ist berechtigt, aber das sollte keine „Einbahnstraße“ sein. Wie demokratisch ist denn Deutschland, Fußball-Weltmeister bei den Herren (und wohl bald bei den Frauen) und „WM-Dritter“ in puncto Rüstungsexporten (zusammen mit China, hinter den USA und Russland), heute?! Aus Sicht der selbst ernannten Eliten in Politik, Kultur, Wirtschaft und Medien, der „Erwählten der sich selbst Auserwählten“, mag Deutschland als „das schönste Land der Welt“ erscheinen, aber die Realität stimmt mit dem gezeichneten politischen und medialen Bildern dieser Minderheit nicht überein.
Wie ist es wirklich?!
Natürlich sind mehr Menschen in Arbeit, weil sie trotz „Mindestlohnes“ Zweit- oder Drittjobs annehmen müssen, um zu überleben (und dieselbe Arbeitnehmerin/derselbe Arbeitnehmer „taucht“ dann doppelt oder dreifach in der „Job-Statistik“ auf). Deutschland ist mittlerweile – im Hinblick auf Steuern, Abgaben und Gebühren – eines der teuersten Länder der Welt.
Die Löhne hinken dabei hinterher. Das Bildungssystem ist zudem mehr als verbesserungsbedürftig, wer „arm“ geboren wird, kann sich zwar bestens qualifizieren, wird aber in nur ganz seltenen Fällen einen nachhaltigen Aufstieg schaffen, das bisherige Milieu verlassen können. OECD-Studien gibt es dazu „noch und nöcher“.
Und schaut man sich die Arbeitsmarktzahlen an, so sind diese auch das Werk von „Friseuren“. Wer glaubt denn an diese „frisierten Zahlen“, wenn aus der Arbeitslosenstatistik SGB II-Empfänger, Ein-Euro-Jobber, geringfügig Beschäftigte, berufliche Rehabilitanden, auf dem zweiten Arbeitsmarkt Beschäftigte, Schein-Selbständige oder Vorruheständler wider Willen im arbeitsfähigen Alter heraus gerechnet werden?!
Der Dienst am Menschen (Erzieher, Sozialarbeiter, Betreuer, Pflegekräfte, Sozialpädagogen) wird hierzulande gering geschätzt. Dafür werden Fußballer, Profiboxer, Motorsportler oder „Fun“sportler fürstlich entlohnt – und das Publikum darf dazu treudoof applaudieren!
Posten und Pöstchen…
All zu oft werden wichtige Positionen nicht nach Leistung, Engagement und Charakter, sondern nach „richtigem Parteibuch“ vergeben! Es werden Leute hoch gejazzt, bei denen man sich fragt, wie sich diese plötzlich zum Widerstandskämpfer oder Demokraten „umpolen“ lassen konnten, obwohl sie ihre „Wendigkeit“ in ihrem Leben mehrfach bewiesen…
Freigeister unerwünscht…
Wehe, man ist ein „Freigeist“ oder in der „falschen Partei“. Die nun objektiv betrachtet wirklich intelligente Sahra Wagenknecht, die in der DDR aneckte, sich dort nicht anpasste und dennoch in der Linkspartei führend aktiv ist, sagte dazu in einem Interview mit dem SPIEGEL vom 6.Juni 2015: „… Ich wollte einen anderen Sozialismus: demokratische Reformen und eine Wirtschaft, die funktioniert, keine in Stein gemeißelte, zentrale Planung. Das war meine Kritik, die ich schon zu DDR-Zeiten vertreten habe, anders etwa als unsere Bundeskanzlerin, die brav ihre FDJ-Funktion ausgeübt hat. Ich dachte, man könnte die DDR noch ändern. Das war eine Illusion…“
Aber wie wurde und wird Sahra Wagenknecht noch heute medial angefeindet. Sicher, es gab von ihr missverständliche Äußerungen zur DDR-Vergangenheit, für die man sie zu Recht auch deutlich kritisierte. Aber wirft man heutigen Funktionären aus SPD, CDU oder FDP mit „ausgeprägter“ DDR-Biografie deren frühere Äußerungen und vor allem deren früheres Tun noch immer vor?!
Und wie mußten und müssen die Opfer der nationalsozialistischen und stalinistischen Diktatur jahrelang um ihre Renten und Entschädigungen kämpfen! Namen, wie Arno Esch, Werner Jöhren, Siegfried Witte, Albert Kruse, Albert Schulz, Hermann Lüdemann, Hans Krukenmeyer, die gegen Nazis wie Stalinisten aufbegehrten, werden von führenden SPD- und CDU-Leuten doch nur in den Mund genommen, wenn sich damit Verbalitäten zu besonderen Anlässen verbinden lassen, wie bestimmt wieder zum 17.Juni (Jahrestag des demokratischen Aufbegehrens in der DDR)…
Wofür diese standen, wurde jedoch nie verinnerlicht! In Deutschland ist man stets nur gegen etwas… „Gegen Rechts“, „Gegen Links“, „Gegen Atomkraft“, „Gegen Gen-Mais“, „Gegen Stuttgart 21“, „Gegen Fremde“, „Gegen Bekannte“… Aber nie für etwas?!
Wie wäre es einmal damit: Für den Frieden! Für aufrichtiges Miteinander! Für mehr Toleranz! Für mehr Demokratie! Für eine bessere Bildung! Für eine gerechte Entlohnung!
Aber dafür gibt es ja keine Fördermittel, das muß schon eine Herzensangelegenheit sein.
In einem Land jedoch, in dem der eine dem anderen nicht gönnt, ist das nur schwer möglich…
Gäste auf dieser Welt
Dabei: „Wir sind alle nur Gäste in dieser Welt. Lernt man, sich im Leben als Gast zu fühlen, so benimmt man sich danach, man wird freundlicher und dankbarer, zuvorkommender und rücksichtsvoller, und man lernt zu wissen, dass einem nichts wirklich gehört.“, so der Schriftsteller Wladimir Lindenberg.
Schlimm, was aus dieser Gastrolle von den politischen Administrationen in aller Welt gemacht wurde.
Da nützen dann auch keine „sieben Gs“, wenn für eine echte Demokratie „G-ehhilfen“ notwendig sind und der ultimative „politische G-Punkt“ so unerreichbar wird.
Marko Michels