Skip to main content

Wie „natürlich“ sind Schwerin und ganz M-V?!

Nachgefragt beim BUND / Arbeitsgruppe Schwerin

Schwerin und M-V – das bedeutet „unberührte“ Natur, Seen, Wälder, viele Blumen und Sträucher mit seltenen Tierarten. So heißt es jedenfalls in den diversen Hochglanzmagazinen der Tourismusverbände bzw. -vereine oder bei Politikern, die M-V als Natur-Land betrachten.

Wie ist es jedoch tatsächlich um die Natur in M-V bestellt?

Nachgefragt bei Mareike Herrmann, Mitarbeiterin beim BUND / Arbeitsgruppe Schwerin

 

Mareike Herrmann über die Natur in M-V, Chancen für deren Erhalt, den Hitze- bzw. Dürre-Sommer 2018 bzw. dessen Folgen, die Aufgaben des BUND, speziell in Schwerin, und „natürliche“ Zukunftsprognosen

 

„Das fein aufeinander abgestimmte Ballett in der Natur gerät aus dem Takt…“

 

Frage: Wie „unberührt“ ist eigentlich die Natur in Schwerin und in M-V aus Ihrer Sicht noch, Frau Herrmann? Auf Rügen, Usedom, in Schwerin oder im Bereich der Mecklenburgischen Seenplatte entstehen immer mehr Hotels, Pensionen, Ferienhäuser oder Campingplätze. Wird die reizvolle Natur in M-V letztendlich deren Verhängnis?

Natur in und um Schwerin. Foto: M.M.

Mareike Herrmann: Ich genieße auch einen Ausflug ins Grüne. Besonders Ostsee, Seen und Flüsse sind tolle Orte zur Erholung. Aber die touristische Nutzung kann auch zerstören, was wir Menschen eigentlich besuchen und erleben wollen. Das ist ein permanentes Spannungsfeld.

Wichtig ist, den Bauboom zu beenden und sich bewusst von einigen Gebieten fernzuhalten, so dass die Natur auch „Erholungsgebiete“ findet.

„Unberührte Natur“ haben wir kaum – die Menschheit hat die gesamte Umwelt verändert, manchmal wissentlich, manchmal aus Unachtsamkeit. Schon vor etwa 800 Jahren haben unsere Vorfahren die Landschaft grundlegend umgestaltet, als sie Wälder gerodet und Moore trockengelegt haben.

Die natürlicherweise hier lebenden Tiere und Pflanzen sind seitdem auf kleine Flächen angewiesen, die wir ihnen noch zugestehen, zum Beispiel in den Naturschutzgebieten (auf 3,1 Prozent Fläche des Landes) und Nationalparken. Aber die Folgen unseres Handelns treffen sie auch dort: eingeschleppte Arten von anderen Kontinenten, Schwermetalle, zu viele Nährstoffe…

Frage: Was müßte sich aus Ihrer Sicht ändern, damit die reizvolle Natur in Schwerin erhalten bleibt?

Natur in und um Schwerin. Foto: M.M.

Mareike Herrmann: Der Wert dieser Natur muss endlich anerkannt werden, auch in Politik und Verwaltung! Bisher werden hier gesetzlich geschützte Biotope nicht geschützt, sondern an allen Ecken und Enden überbaut und zerstört.

Wir brauchen eine politisch unabhängige Naturschutzbehörde, die beispielsweise gegen ungenehmigte Bauvorhaben so konsequent vorgeht, dass am Ende das zu schützende Biotop wieder hergestellt wird. Dann werden die Menschen feststellen, wie schwierig es ist, ein Stück Natur zu „schaffen“.

Frage: Auch M-V mit Schwerin hatte in diesem Sommer 2018 mit Hitze und einer extremen Dürre zu kämpfen. Sind die negativen Folgen schon überschaubar?

Natur in und um Schwerin. Foto: M.M.

Mareike Herrmann: Die Auswirkungen sind für mich nicht genau abzusehen, Ökosysteme sind sehr komplex. Generell kann ich sagen, dass zur Natur auch eine natürliche Dynamik gehört, die auch ab und an extreme Wetterereignisse einschließt.

Es gibt trockenheits- und wärmeliebende Arten, die sich in diesem Jahr vermutlich sogar besser entwickeln konnten, als 2017. Auch für das Schilf kann der niedrige Wasserstand in diesem Jahr positiv sein, wenn er nicht dauerhaft bleibt.

Eine viel größere Auswirkung hat zum Beispiel die wenig beachtete Verschiebung der Jahreszeiten durch den Klimawandel: Einige Pflanzen blühen früher, manche Vögel ziehen nicht mehr in ihr Winterquartier, kurz: das fein aufeinander abgestimmte Ballett in der Natur gerät aus dem Takt.

Anfälliger für Wetter-Schäden sind die künstlichen Systeme wie Äcker und Forsten, da sie meistens Monokulturen sind, also nur eine Art den Ertrag bringen soll. Sobald die Bedingungen für diese Art ungünstig sind, entsteht ein wirtschaftlicher Schaden.

Mit Blick auf den Klimawandel sollen deshalb zur Zeit die Forsten umgewandelt in Mischwälder mit unterschiedlichen Baumarten. Je nachdem, wie sich der Klimawandel auswirkt, könnte die eine oder die andere Baumart besser damit zurechtkommen, so vermeidet man einen Totalausfall.

Eine solche Anpassung fehlt auf den landwirtschaftlichen Flächen bisher weitgehend. Wir beim BUND hoffen, dass die zwei extremen Jahre 2017 und 2018 zu Umdenken und Handeln in der Politik und bei den Landwirten führen.

Frage: Welche Aufgaben hat eigentlich der BUND M-V beim Erhalt der hiesigen Natur-Landschaft, speziell in Schwerin? Welche Aktivitäten gibt es da?

Schwerin aus der Vogel-Perspektive. Foto: M.M.

Mareike Herrmann: Der BUND Landesverband Mecklenburg-Vorpommern hat als anerkannter Naturschutzverband die Aufgabe, als „Anwalt der Natur“ aufzutreten, dasheißt, immer wenn gegen Naturschutzgesetze verstoßen wird, können wir Klage erheben.

Schließlich kann die Natur das nicht selber tun. Aber wir gehen weiter, indem wir öffentlich unsere Stimme für die Natur erheben und Menschen einladen, aktiv mitzumachen. Unser Ziel ist, dass die Umwelt in der Zukunft für den Menschen noch lebenswert bleibt und die Natur dann noch einen Platz findet.

Die Schweriner BUND-Gruppe hält die Augen offen, wie mit der Natur hier umgegangen wird. Mit unseren Ausstellungen zur Stadtnatur, über Bienen und über naturnahe Gärten wollen wir mehr Menschen für diese Mitwelt interessieren.

Seit Jahren beschäftigen wir uns mit den Seen Schwerins, aktuell in unserem Projekt „Schweriner Seen – Naturschätze entdecken“. Da laden wir ein zu Naturbeobachtungen, Exkursionen, Vorträgen und Diskussionsrunden.

Auch bei den Verhandlungen über eine Freiwillige Vereinbarung für Wassersport im Europäischen Vogelschutzgebiet „Schweriner Seen“ vertreten wir die Natur.

Ein ganz anderes wichtiges Thema ist die Gestaltung unserer Mobilität für die Zukunft. Wir setzen auf Fuß- und Radverkehr in Kombination mit Elektro-Bussen und -Bahnen. In einer Stadt wie Schwerin ist das besonders gut machbar.

Letzte Frage: Ein Blick in die Zukunft… Wo steht Schwerin und Umgebung – in puncto reizvolle Natur – in 30 Jahren? Ganz subjektiv betrachtet…

Touristen-Hochburg Usedom… Foto: M.M.

Mareike Herrmann: In 30 Jahren? Das ist 2048 – ein entscheidendes Datum! Bis dahin müssen wir unsere Gesellschaft klimaneutral gestaltet haben.

Die Reste der Natur werden wir sicher weiterhin reizvoll finden, vor allem das Baden in unseren Seen in den langen, heißen Sommern. Radtouren in die Umgebung verlegen wir lieber auf Frühling und Herbst, weil es im Sommer zu anstrengend ist und Wiesen schon gelb werden.

Grüne Rasenflächen sind nicht mehr zu halten, weil die permanente Bewässerung zu teuer wird. Das Wasser wird gebraucht, um noch Gemüse anzubauen. Wird es noch Röhrichte an den Seen geben?

Ich will optimistisch sein: Wir als Menschheit haben es geschafft, an einzelnen Stellen noch Habitate für Rohrdommeln und Rohrweihen zu erhalten.

Blässhühner und Haubentaucher sind zwar nicht mehr so zahlreich, weil sie weniger Brutplätze finden, aber sie mausern immer noch auf unseren Seen. Inzwischen bleiben die Zugvögel den ganzen Winter hier, aber einige Brutvögel brüten nun weiter im Norden und andere sind leider ausgestorben.

Vielen Dank und trotz aller Widrigkeiten weiterhin bestes Engagement für die Natur in Schwerin und in ganz M-V!

M.Michels

 


Ähnliche Beiträge