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„Nur ein wenig mehr Toleranz und Interesse…“

Schwerins Volleyball-Ass Tanja Joachim über das Jahr 2015

Es ist Zeit, zurückzublicken und dennoch nach vorn zu schauen. Das Jahr 2015 war ein sehr ambivalentes. Die schönen Momente, global und persönlich, waren durchaus vorhanden und dennoch – gefühlt – überwogen die nachdenklichen, die traurigen und ernsten Augenblicke.

Große Momente…

Es gab große Momente im Sport, als die Amerikanerinnen neue Fußball-Weltmeisterinnen wurden, der FC Bayern München national und international fußballsportliche Maßstäbe setzte, die gebürtige Schwerinerin Vanessa Low goldene Zeiten bei den Leichtathletik-WM für Athletinnen mit Handicaps erlebte oder die unverwüstliche Lindsey Vonn im alpinen Skisport neue Siegesrekorde aufstellte. Bei den Eiskunstlauf-WM in Shanghai sorgten die Russin Jelisaweta Tuktamyschewa und der Spanier Javier Fernandez für „Gänsehaut-Momente“…

Große Erfolge…

Ansonsten war auch der Ballsport „im Trend“. In den vierzehn aktuellen WM-Entscheidungen in den olympischen Mannschafts-Ballsportarten Wasserball, Feldhockey, Basketball, Fußball, Hallen-Volleyball, Handball und 7er Rugby konnten sich unter den jeweils besten vier Teams in den einzelnen ballsportlichen Konkurrenzen die Vertretungen aus 24 Nationen platzieren.

Am erfolgreichsten waren dabei die Vereinigten Staaten von Amerika mit fünfmal Gold, einmal Bronze bzw. einmal Rang vier. Deutschland hat dabei folgende Bilanz: jeweils einmal Gold (Herren-Fußball-Weltmeister 2014), Bronze (Herren-Volleyball-WM 2014) und Rang vier (Frauen-Fußball-WM 2015).

Große Nachdenklichkeit…

Bomben detonierten an einem Fußball-Stadion… Auch das war die (Sport-)Welt 2015. Am 13.November wollten sich die Herren-Nationalmannschaften von Frankreich und Deutschland in Paris eigentlich nur zu einem Freundschaftsspiel treffen – andere wollten in der „Stadt der Liebe“ einfach nur feiern. Andere konnten das nicht ertragen, ließen ihren Unmut, ihre Intoleranz, ihren Hass eskalieren…

Nein, die Welt ist 2015 in keinem guten Zustand… 60 Millionen Menschen sind auf der Flucht, 53 Kriege bzw. kriegerische Konflikte toben, der finanziell-materielle „Reichtum“ ist so ungleich verteilt, wie nie zuvor in der Menschheitsgeschichte… Eigentlich ist doch genug für alle da.

Wie meinte schon der Wegbereiter von „Glasnost und Perestroika“, Michail Gorbatschow: „Wir alle sind Passagiere an Bord des Schiffes Erde, und wir dürfen nicht zulassen, dass es zerstört wird. Eine zweite Arche Noah wird es nicht geben…“

Nächstes Jahr sind Olympische und Paralympische Spiele in Rio de Janeiro – ein Fest des Friedens, des faires Wettstreits und des toleranten Miteinanders. Natürlich sind sie auf eine gewisse Weise ziemlich verlogen, aber dennoch… Olympia hat eine Chance verdient!

Dazu äußerte sich schon der Sportjournalist Edgar Fuchs in einem Beitrag „80 Jahre Olympische Spiele“, erschienen im Buch von Harry Valerien „Olympia`76 – Innsbruck/Montreal“ des Südwest-Verlages München 1976, treffend: “ … Auch wenn sie (die Spiele – Anm.d.Red.) nie das geworden sind, was Pierre de Coubertin sich von ihnen erhoffte: `Eine mächtige Stütze des Friedens`. Und auch das ihnen in schönen Reden immer wieder zudiktierte Völkerverbindende hat sich auf einen ganz kleinen Nenner reduziert: Verbunden fühlen sich Milliarden nur, weil ihr Interesse sich alle vier Jahre zwei Wochen lang auf einen Ort und ein Ereignis konzentriert. Doch das ist Grund genug, an den Spielen festzuhalten. Denn, sie sind das einzige Fest, zu dem die ganze Welt geladen is …“

Hoffen wir alle auf ein friedliches, aufrichtiges und ehrliches 2016 – mit mehr Verständnis füreinander und mehr Respekt voreinander.

Wie beurteilt nun das Schweriner Volleyball-Ass Tanja Joachim, Jahrgang 1992, zuletzt 2014/15 Stralsunder 1.VC Stralsund, ab 2015/16 wieder SSC, das Sportjahr 2015 wie das Jahr 2015 allgemein? Was mag Sie an Ihrer Heimatstadt Schwerin? Was könnte da besser werden? Und was erhofft sie sich vom Jahr 2016?

Nachgefragt bei Tanja

Tanja über das Sportjahr 2015, den Volleyballsport, das Jahr 2015 allgemein, ihre Sympathie für Schwerin und ihre Ziele

„Mit ein wenig mehr Toleranz und Interesse wäre das Leben auf dieser Welt wahrscheinlich ein ganzes Stück friedlicher…“

Frage: Tanja, das Volley-Jahr ist bald Historie. Was waren für Dich ganz persönlich die nachhaltigsten Momente auf dem Volleyball-Parkett 2015?

Tanja Joachim

Tanja Joachim: Ich wurde als Zuspielerin in der vergangenen Saison insgesamt zehnmal als wertvollste Spielerin ausgezeichnet. Das waren alles sehr schöne Momente. Genauso gerne erinnere ich mich aber auch an so manche Ballwechsel – sowohl aus dem Training als auch aus den Spielen – sehr gerne zurück.

Frage: Was waren für Dich ansonsten – jenseits des Volleyballsportes – die Sport-Höhepunkte des Jahres 2015? Wer sind Deine Sportler des vorolympischen Jahres?

Tanja Joachim: Eines der jüngsten Ereignisse und Höhepunkte ist für mich der letzte Klitschko-Kampf. Ich habe ihn, wie sicher so manch anderer Sportinteressierter auch, ungläubig verfolgt. Aber so kann es im Sport eben manchmal zugehen.

Ich empfand außerdem das Finalspiel bei der Volleyball-EM der Männer (Frankreich gegen Slowenien 3:0 am 18.Oktober in Sofia! – red. Anm.) recht eindrucksvoll. Gerade der letzte Punkt von den Franzosen war spektakulär. Fast schon etwas überheblich.

Als meine persönliche Sportlerin des vorolympischen Jahres sehe ich gerne meine Freundin, die hier in Schwerin boxt – Sarah Scheurich. Sie ist mittlerweile sehr erfolgreich und deshalb wahrscheinlich auch schon einigen bekannt. Ich verfolge sehr gerne ihren Weg des Erfolgs und hoffe, dass sie ihr Ziel Olympia vielleicht auch bald erreichen wird!

Frage: Das vergangene Jahr bot zahlreiche freudige, traurige und nachdenkliche Momente. Welche Ereignisse bewegten Dich?

Tanja Joachim: Man erinnert sich am Ende des Jahres gar nicht mehr so sehr an die Ereignisse aus den ersten Monaten. Aber dafür sind ja leider die Geschehnisse der letzten Monate diesen Jahres umso deutlicher in Erinnerung. All die Anschläge mit terroristischem Hintergrund bewegen mich zutiefst. Man beginnt sich Sorgen zu machen, möchte sich aber auch nicht verstecken und unterkriegen lassen!
Ansonsten kann ich aus dem Jahr 2015 viele persönliche Highlights mitnehmen, an die ich mich sehr gerne zurückerinnere und über die ich heute noch schmunzeln muss.

Frage: Schwerin kann anmutig, liebevoll sein – oder auch kratzbürstig… Was liebst Du an Schwerin? An welchen „Stellen“ sagst Du: Hey, das müßte geändert werden…

Tanja Joachim: Ich liebe so vieles an Schwerin. Mein täglicher Arbeitsweg führt mich stets an unserem wunderschönen Märchen-Schloss vorbei, an dem ich mich nie satt sehen kann. Ich liebe es, die vielen kleinen Gassen zu durchlaufen, mag diese Nähe zum Wasser.

Ich bin unheimlich gerne in der Stadt unterwegs, weil mir die alten und vor allem die historischen Gebäude so gut gefallen.

Etwas anstrengend ist so manches Mal unsere norddeutsche Mentalität. Aber das sollte man auch einfach weglächeln können.

Häufig rege ich mich auch über die eine oder andere unzureichende Straßenbeleuchtung und über schlechte Gehwege auf. Aber ich weiß, das Geld ist knapp.

Frage: Zwischen Sport, Politik und Kultur… Was macht für Dich Schwerin aus?

Tanja Joachim: Neben der Natur und den Sehenswürdigkeiten ist Schwerin ja nicht zuletzt für seine sportliche Seite bekannt. Ich denke, viele Leute wissen sofort Bescheid, wenn die Namen „Mecklenburger Stiere“ oder der „Schweriner SC“ fallen.

Ich bin stolz darauf, ein Teil davon sein zu können und ich hoffe, dass Schwerin und der Sport noch sehr lange miteinander in Verbindung gebracht werden.

Höre ich den Begriff „Kultur“, denke ich sofort an unser schönes Staatstheater und die Schlossfestspiele. Alle Vorstellungen sind stets gut besucht und um Karten für das Weihnachtsmärchen zu bekommen, muss man sich beeilen und schon sehr früh bemühen.

Frage: Ist für Dich Schwerin eine Stadt mit Zukunft?

Tanja Joachim: Definitiv! Durch die Design-Hochschule und das Baltic-College, jetzige Fachhochschule des Mittelstands, wurde jungen Leuten die Möglichkeit zum Studieren in Schwerin gegeben.

Das hat dieser Stadt bis jetzt immer gefehlt, um eben diese Menschen hier zu halten. Auch durch die Restaurierung vieler Plätze anlässlich der BUGA ist Schwerin noch attraktiver und anziehungskräftiger geworden. Ich persönlich werde Schwerin wohl so schnell nicht verlassen, weshalb es auf jeden Fall meine Stadt mit Zukunft ist.

Frage: Angenommen Du wärst für einen Monat Oberbürgermeisterin… Wie würde Dein Sofortprogramm aussehen?

Tanja Joachim: Also erst einmal denke ich, dass unsere Oberbürgermeisterin ihre Arbeit gut macht. So etwas ist immer schwierig, denn man kann es nie allen Recht machen, aber mit ausreichend Geld würde ich wahrscheinlich die schon erwähnten Straßenbeleuchtungen und Gehwege sanieren.

Frage: Die Flüchtlingsproblematik ist das Thema des Jahres… Du spielst im SSC-Team – auch eine multikulturelle Truppe, unter anderem mit Spielerinnen aus den USA, Kanada, Brasilien, usw…. Warum klappt das Miteinander in einem Sport-Team, während es im täglichen Leben exorbitante Probleme gibt? Wie ist da Deine Meinung?

Tanja Joachim: Im Sport sind alle gleich. Alle kämpfen, gewinnen und verlieren miteinander. Es gibt vielleicht Unterscheide bei den einzelnen Muttersprachen oder bei der Hautfarbe, aber das macht nichts aus, weil wir am Ende alle „nur“ Menschen sind.

Wir arbeiten jeden Tag mehrere Stunden zusammen für unser gemeinsames Ziel und dadurch lernt man sich kennen. Das ist ein Problem des täglichen Lebens außerhalb des Sports – Vorurteile. Man macht sich nicht die Mühe, um sich mit anderen Religionen, Lebensweisen, Hautfarben, Sprachen usw. auseinanderzusetzen.

Niemand kennt seinen Gegenüber so richtig und viele sind auch nicht bereit, etwas daran zu ändern. Ich finde das schade, denn mit ein wenig mehr Toleranz und Interesse wäre das Leben auf dieser Welt wahrscheinlich ein ganzes Stück friedlicher.

Letzte Frage: Was wünscht Du Dir vom olympischen 2016? Welche Hoffnungen und Erwartungen hegst Du? … Wie feiert übrigens eine grazile Volleyballerin Weihnachten und den Jahreswechsel – ohne Entenbraten, Kekse und Schoki?

Tanja Joachim: Natürlich hoffe ich, dass sich unsere Männer und Frauen qualifizieren und dementsprechend auch gut abschneiden! Freuen werde ich mich aber auch auf die Wettkämpfe und die hoffentlich guten Ergebnisse für die deutschen Teams in der Leichtathletik, im Turnen, Boxen und im Beachvolleyball.

… Unser Weihnachtsfest sieht wahrscheinlich aus wie bei jeder anderen Familie. über die Feiertage denkt man als Sportler auch gar nicht so sehr an die nächste Fettmessung, sondern genießt die freie Zeit mit der Familie und den Freunden. Da gehört auch mal ein Stück Schoki dazu.

Vielen Dank, schöne weihnachtliche Feiertage, einen optimalen Jahreswechsel 2015/16 und maximale Erfolge 2016 – persönlich, beruflich und sportlich!

Foto: Tanja Joachim / M.Michels

 


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