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Katniss, übernehmen Sie! – Zwischen Fußball und Olympia-Ringen

Lasst die Spiele beginnen…

Was ist nicht alles los in Schwerin?! Tja, alles was nicht fest ist. Der Zoo feiert seinen 60.Geburtstag und geht noch lange nicht in Rente, sofern nicht irgendwelche selbst ernannte Tierschützer etwas dagegen haben. Angelika Gramkow (als OB) und Erwin Sellering (als MP von M-V) feiern ihren achtjährigen Geburtstag, Angela Merkel ihren 11.Geburtstag als BK. Das 26.Filmkunstfest steht vor der Tür. Das soziokulturelle Zentrum DER SPEICHER wird 20. Im Mecklenburgischen Staatstheater gibt es – nach gefühlten 100 Jahren – bald einen neuen Intendanten. Mit frostigen Temperaturen startete der diesjährige Kultur- und Gartensommer in Schwerin.

Im Sport geht es rund…

Auch im Sport geht es rund. Nur noch anderthalb Monate bis zu den Fußball-EM in Frankreich, wobei es „Public Viewing“ auch wieder auf der Schweriner Freilichtbühne am Schloßgarten geben wird.

Und dann sind ja noch die „Spielereien unter den fünf olympischen Ringen“ in Rio – erst im August die Olympics, dann im September die Paralympics.

Für Rio 2016 sind aus M-V-Vereins-Sicht – im Hinblick auf die Paralympics – bereits Ramona Brussig (Judo, PSV Schwerin), Stefan Nimke (Para-Radsport, Pilot, PSV Schwerin) bzw. Kai Kristian Kruse (Para-Radsport, Schweriner SC), Denis Grahl (Schwimmen, gebürtige Schwerinerin, Hanse-Schwimm-Verein Rostock), Silvi Tauber (Rollstuhl-Fechterin, Makkabi Rostock), Reno Tiede (Goalball, Rostocker Goalball-Club Hansa) und Thomas Steiger (Goalball, Rostocker Goalball-Club Hansa) qualifiziert.

Die olympischen Rio-Tickets haben dagegen bereits die Rostocker Ruderin Marie-Louise Dräger, der Rostocker Ruderer Stephan Krüger, der gebürtige Rostocker bei der Schweriner Rudergesellschaft Hannes Ocik und der gebürtige Bad Doberaner Ruderer Felix Drahotta sicher oder so gut wie sicher.

Auch der gebürtigen Ueckermünderin Marianne Buggenhagen (Paralympics, Leichtathletik), der gebürtigen Schwerinerin Vanessa Low (Paralympics, Leichtathletik), die Rostockerin Jana Schmidt (Paralympics, Leichtathletik), der Schweriner Stabhochspringerin Martina Strutz oder dem Kanu-Rennsportler vom SC Neubrandenburg Erik Rebstock dürften die Fahrkarten Richtung Rio de Janeiro ebenfalls nicht mehr zu nehmen sein.

Bei den Fußball-EM in Frankreich wird aus M-V-Blickwinkel bestimmt der gebürtige Greifswalder und ehemalige Nachwuchs-Spieler des FC Hansa Rostock Toni Kroos, jetzt Real Madrid, im DFB-Team spielen. Der WM-Dritte 2010, Vize-Europameister 2012 und Weltmeister 2014 ist ja ein Leistungsträger im deutschen Herren-Fußball-Team.

Der Sport ruft

Ja, der Sport, insbesondere der profihafte, ruft…

Wie meinte aber schon der große deutsche Lyriker Bert Brecht: „Der große Sport fängt leider da an, wo er längst aufgehört hat, gesund zu sein!“

Verfolgt der „gemeine Sportfan“ die großen sportlichen Diskussione zurzeit, so könnte dieser glatt den Eindruck gewinnen, Korruption, Doping, Selbstbereicherung, Narzissmus und Profitgier seien inzwischen olympische Disziplinen. Wie schön ist es dann, wenn sogar selbst ernannte Leitmedien die sportliche Orientierung verlieren und dabei schwadronieren: Deutschland wird immer schöner. Einen ähnlichen Spruch gab es einst in einem Werbeblock des hiesigen Stadtfernsehens. Ja, Schwerin wird immer schöner, auch wenn es mitunter Entgleisungen oder Gleisverschiebungen gibt – metaphysisch wie ganz praktisch…

Sport oder Spott?! Das ist hier die Frage…

Aber zurück zum Sport. Bald rollt ja der runde EURO-Ball.

„Die Dummheit ist rund. Niemand weiss, wo sie anfängt und wo sie aufhört.“, meinte allerdings schon treffend der österreichische Schriftsteller Ernst Ferstl.

Das scheint zurzeit – ausgehend „von der EM“ bzw. der FIFA-Zentrale in Zürich – im wahrsten Sinne des Zitates zutreffend zu sein. Ja, wenn „König Fußball“ regiert, sollte man dennoch das Wesentliche im Blick behalten. Zumeist werden in solchen (Fußball-)Zeiten unvorteilhafte Gesetze seitens der Regierenden verabschiedet, denen natürlich viel daran liegt, dass sich das deutsche Fußball-Team nicht zu früh aus dem Turnier verabschiedet. Aber Gemach: Der WM-Titel verpflichtet…

Mittel zum Zweck

Dass aber „König Fußball“ nur „Mittel zum Zweck“ ist, nur von den echten globale Problemen ablenken soll, wird natürlich bestritten. Dank einer einzigartigen Marketing-Kampagne, nebst unsportiver Gehirnwäsche, haben es Sponsoren, Polit-Apparatschiki und wirtschaftliche Profit-Geier geschafft, den Fußball zum „goldenen Kalb aufzublasen“. Alle zwei Jahre EM oder WM soll nicht nur die sportliche Welt um den Fußball(sport) tanzen, der so schön infantil ist, so herrlich an die niedersten Instinkte appelliert und ziemlich simpel ist, dass er sich hervorragend dazu eignet, Menschen zu manipulieren, sie der Realität zu entfremden.

Und was macht „der gewöhnliche, vielleicht sogar oberflächlich am Sport interessierte“ Mensch: Er folgt seinen Instinkten, der Gruppen-Dynamik, wedelt seine Fähnchen, jubelt über geschossene Tore, schwenkt das Bierglas, isst seine gebratenen Würstchen, um selbst zum „Tor“ und „Würstchen“ zu mutieren.

Kein Hinterfragen mehr

Er hinterfragt nicht, warum ein Profi-Sportler, der einem Ball mit dem Fuße hinterher jagt, für dieses Tun sogar viele Millionen Euro im Monat verdient, während echte Arbeitende, die etwas am Menschen für den Menschen verrichten, wie Krankenpfleger, Krankenschwestern, Hebammen, Übungsleiter, Sozialarbeiter oder Entwicklungshelfer, hingegen für ein kärgliches Einkommen schuften müssen. Am besten noch ehrenamtlich…

Er lässt sich einen unsportiven Fähnchen-Nationalismus eintrichtern, obwohl im Sport doch fairer, sachlicher und aufrechter Patriotismus gefragt ist. Einige Fußballspiele werden medial inzwischen so begleitet, als handle es sich um „Stellvertreterkriege auf dem Fußballrasen“.

Das gemeine Volk soll in einem Gefühl schwelgen: „Ach, eigentlich geht es uns doch gut und wir sind gemeinschaftlich stark!“. Dass die Statistiken zum Arbeitsmarkt, zu ökologischen Perspektiven, zu wirtschaftlichen Entwicklungen hierzulande nicht stimmig sind, wird dank Fußball-Geschehen herrlich kaschiert – und der Ball rollt ja nicht nur zur EM oder WM.

Deutschen Olympioniken lassen sich degradieren

„Die deutschen Olympioniken unterstützen das DFB-Team!“ – das war eine Aktion des Deutsche Olympischen Sportbundes, die nichts anderes ist, als eine Beleidigung des menschlichen Intellektes, besonders der aufrechten Sportfans.

Sollten nun Ringer, Judoka, Sportschützen, Schwimmer, Leichtathleten, Fünfkämpfer, Judoka, Gewichtheber, Boxer, Fechter, Wasserspringer, Turner – alles Sportarten mit einer großen historischen Tradition – nun dem verhunzten „modernen Fußballsport“, der nichts mit den ursprünglichen Wurzeln dieser Leibesübung zu tun hat, den fußballsportlichen Protagonisten die Fußballschuh-Sohlen lecken oder küssen, am besten Fähnchen schwenkend dazu?! Devise: Alles für denFußball, alles für dieses unsportive Marketingprodukt. Damit die Polit-Protagonistinnen bzw. -Protagonisten ihre schönen Wahlkrampffotos bekommen und die Sponsoren, nebst FIFA, abkassieren dürfen…

Olympia versus Armut

In Brasilien herrscht bittere Armut, viele Menschen starben beim Bau der Stadien und die Umwelt wurde wegen Olympia vielfach zerstört. Millionen Euros und Dollars wurden für unsinnige WM-Vorhaben „verbrannt“, während die Kinder nicht nur in Brasilien verrecken können.

Sportereignisse werden dorthin vergeben, wo das Geld zu holen ist, nicht dorthin, wo der Sport seine Wurzeln hat. Ob nun Winter-Olympia bei einem Autokraten stattfindet, Eishockey bei einem Despoten, Jugendsport im Lande des Tian`anmen-Massakers, die übernächste Fußball-WM im Lande der nicht gerade menschenfreundlichen Öl-Scheichs oder diverse Sportereignisse im Lande der Kaiser, Führer, Staatsratsvorsitzenden und Pharisäer – einem Land, das sich mehrfach an der olympischen und sportlichen Idee verging, flächendeckendes Doping in Ost und West inklusive…

Zu Recht gefeiert?!

Großartige Leistungen, die ein hohes Maß an Sportivität verlangen, werden zu Recht ausgezeichnet. Sinnvolle Leistungen, die die menschliche Leistungsbereitschaft und die menschlichen Grenzerfahrungen dokumentieren, sollten in der Tat speziell gewürdigt werden. Auch Leistungen, die angesichts ihres Mutes und einer realistischen Risikoabwägung, erfolgreich geboten werden …

Vor mehr als 60 Jahren erreichten der Neuseeländer Edmund Hillary und der gebürtige Tibeter Tensing Norgay den Gipfel des Mont Everest – des höchsten Berges dieses Planeten. Eine atemberaubende Leistung, die seinerzeit umfangreiche Vorbereitungen erforderte und angesichts der damaligen technischen Verhältnisse gar nicht genug hervorzuheben ist.

Was ist für einen Menschen möglich? Ist er in der Lage, seinen eigenen Planten, dessen Vielfalt, dessen Herausforderungen und dessen Schönheit zur Kenntnis zu nehmen? Ist der Mensch zu großen Taten bereit, wenn ihm dazu das notwendige „Rüstzeug“ gegeben wird?

Ja, vieles ist möglich, wenn Tatendrang, gepaart mit einer entsprechenden Förderung, stimmen. Wenn der feste Wille zählt und nicht der schnöde Kommerz!

Es gab einmal Zeiten, da würdigte sogar das Internationale Olympische Komitee herausragende Leistungen, die nicht unter der Ägide einer Werbewirtschaft und eines Berufsfunktionärstum standen, sondern bei denen der aufrichtige menschliche Wille und der Tatendrang entscheidend waren. Keine halsbrecherischen Pseudo-Sportarten, die von irgendwelchen Marketingexperten von Brause- und Bier-Herstellern am Reißbrett entworfen wurden und einem zweifelhaften sportlichen Zeitgeist mit Werbestrahlkraft bedienen sollen, hatten seinerzeit, vor vielen Jahren,  das Wohlwollen des IOC.

Vor 90 Jahren gab es noch den „Prix olympique d`alpinisme“, den olympischen Preis, die olympischen Goldmedaillen für herausragende Leistungen im Bergsteigen. 1924, bei den Olympischen Winterspielen 1924 in Chamonix, wurde dem Briten Charles Granville Bruce und seiner Expedition zum Mont Everest diese Ehre zuteil. Es folgten die Auszeichnungen für die Brüder Franz und Toni Schmid für die Premierenbesteigung der Matterhorn-Nordwand (Olympische Spiele 1932 in Los Angeles) und für das eidgenössische Ehepaar Hettie und Günter Dyhrenfurth für deren Himalaya-Expeditionen (Olympische Spiele 1936 in Berlin).

Auch olympische Kunstwettbewerbe waren damals noch im Programm – Sport und Kultur bildeten ja seit den Olympischen Spielen der Antike eine sinnvolle Symbiose …

Der ursprüngliche Sport nicht mehr wichtig?!

Heute sieht es diesbezüglich mau aus. Traditionssportarten, wie Ringen, Moderner Fünfkampf, Bogenschießen, Amateur-Boxen, einige Segelklassen, wurden und werden zur Disposition gestellt, vermeintlichen Trendsportarten, dessen gesundheitliche Förderung mehr als zweifelhaft ist, die aber Quote versprechen, werden auf das olympische Schild gehoben.

Da wird mancher Sportverantwortlicher einräumen: „Tja, wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit!“. Jedoch: Der Zeitgeist ist wechselhaft, Beliebigkeit ist zerstörend! Wer die Seele der Olympischen Spiele verkaufen will, ist längst gegangen, hat sich von den olympischen Idealen längst verabschiedet.

Geld im Überfluss?!

50 Milliarden US-Dollar kostete „der sportliche Spass“ in Sotschi. Auch bei den Winterspielen zuvor lagen die Kosten bereits im astronomischen Bereich. Vancouver gab 8 Milliarden kanadische Dollar für die Spiele 2010 aus, Turin 2006 immerhin 3,4 Milliarden Euro – die Dunkelziffer für „die olympischen Ausgaben“ dürfte freilich höher liegen!

Auch die bisherigen Sommerspiele, insbesondere seit 1960, verschlangen Unmengen an Geld, Material und natürlicher Umwelt. Nie waren sie das, was sich der Begründer der Olympischen Spiele der Neuzeit, Baron Pierre de Coubertin, sich von ihnen erhoffte – eine Stütze des Friedens. Das freilich ist jedoch nicht die Schuld des idealistischen Barons, sondern vielmehr dem menschlichen Naturell geschuldet. „Der Mensch ist leider nicht naiv, der Mensch ist leider primitiv!“, so heisst es bereits treffend in einem Song von Marius Müller-Westernhagen…

Gier, Selbstsucht, Narzissmus, Geltungsdrang, Machtstreben von angeblich dem Sport und seinen Werten verbundenen Unternehmern, Politikern und Funktionären führte dazu, dass Olympia nur noch als leere Worthülse existiert.

Nur Sotschi suboptimal?

Sotschi ist da nur ein weiteres  negatives Paradebeispiel. Aber machen wir uns nichts vor… Wo fanden in den letzten 50 Jahren wirklich nachhaltige Winterspiele statt. Grenoble 1968? Sapporo 1972? Innsbruck 1976? Lake Placid 1980? Sarajevo 1984? Calgary 1988? Albertville 1992? Lillehammer 1994? Nagano 1998? Salt Lake City 2002? Turin 2006? oder Vancouver 2010? Was ist mit den Sommerspielen? Die Terror-Spiele 1972 in München? Die Boykott-Spiele 1976 in Montreal, 1980 in Moskau und 1984 in Los Angeles? Die Coca-Cola-Spiele 1996 in Atlanta? Die inszenierten Staats-Spiele 2008 in Peking?

Mit viel Phantasie, Nachsicht und wohl wollender Einstellung könnte man da – mit mehr oder minder deutlichen Abstrichen – Innsbruck (1964, 1976) oder Lillehammer  (1994) bei den Winterspielen und Sydney (2000) bzw. London (2012) bei den Sommerspiele positiv hervorheben.

Jedoch: Auch hier lagen und liegen die Schuldenlasten beträchtlich hoch, „rechnen“ sich einige damals neue Sportbauten nicht oder wurden einige „Infrastruktur-Massnahmen“ schlicht an den Bedürfnissen der Menschen vorbei durchgesetzt.

Katniss, übernehmen Sie…

Die Olympischen Spiele der Neuzeit haben durch Dauer-Doping, Kommerzialisierung, Gigantismus, politisch motivierten Boykotten und schnöder Helden-Verehrung, wie beim „Tanz um das goldene Kalb“, ihre „Unschuld“ verloren, längst schwerste Verwundungen erlitten. Lassen sich diese Wunden heilen? Nur dann, wenn zu den Ursprüngen der olympischen Idee zurückgekehrt wird…

Aber: Es werden negative Folgen bleiben! Wie meinte bereits der großartige Schriftsteller Mark Twain: „Die Zeit mag Wunden heilen, sie ist aber eine schlechte Kosmetikerin!“…

Na dann, laßt die Spiele beginnen – im großen globalen „Circus Maximus“! „Katniss Everdeen“, übernehmen Sie bitte…

Marko Michels

PS: Den passenden Song (Rainhard Fendrich) gibt es hier https://www.youtube.com/watch?v=xkJNXQeyluA (in die Suchmaschine des eigenen Vertrauens eingeben). mm

 

 

 


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