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Ein Abend für Lunge und Hirn

Dieter Baumann begeisterte das Speicher-Publikum

Dieter Baumann in Schwerin. (Foto: Michels)„Wenn ‚Einer‘ eine Reise macht, dann hat er etwas zu erzählen!“, heißt es in einer alten Volksweisheit so schön. „Und wem das Herz voll ist, dem läuft der Mund über …“, eine andere. Wenn aber ‚Einer‘ schon einmal beim Laufen echte Qualitäten entwickelte und in der Vergangenheit – dank des langen Atems – viele Gegenden der Welt sportlich bereiste, so wird ein mehr als unterhaltsamer Abend daraus.

Der 5.000 Meter-Olympiazweite von 1988 und 5.000 Meter-Olympiasieger von 1992 Dieter Baumann blickte noch einmal – ganz erfrischend – vor illustrer Runde, dabei einige überzeugte Schweriner Freizeit-Läufer und Freizeit-Radfahrer, auf seine Laufbahn zurück: auf Olympia 1988/1992, seine immer währende Leidenschaft für das Laufen, die gesundheitsfördernden Impulse des läuferischen Daseins, auf den Wunderläufer Said Aouita oder wie ihn der 1.500 Meter-Weltmeister von 1987 Abdi Bile aus Somalia vom Bier-Konsum abbrachte.

Das alles offenbarte der laufende Schwabe immer mit einer locker-leichten Selbstironie – der Mann ist tatsächlich ein Lauf-Botschafter.

Der Rückblick auf seine olympischen Jahre 1988 und 1992 lassen jedoch auch bei den zahlreichen Sportfans in Mecklenburg-Vorpommern wehmütige Erinnerungen aufkommen. Seoul`88 und Barcelona`92 – das waren aus Rostocker Sicht die goldenen Stunden für die Kanurennsportlerinnen Anke Nothnagel und Ramona Portwich. Der Zehnkämpfer Christian Schenk avancierte 1988 zum König der Athleten – vor dem Schweriner Torsten Voss. Der gebürtige Rostocker, der für den SC Traktor Schwerin startende Andreas Tews schaffte 1988 im Boxring Silber und vier Jahre später in Barcelona Gold.

Silke Möller sprinte in der südkoranischen Metropole mit der 4 x 100 Meter-Staffel zu Silber, Christine Thoms war Mitglied der bronzenen DDR-Turn-Riege, der gebürtige Rostocker Lars Hinneburg erschwamm 1988 Silber bzw. Bronze und Hansjörg Kunze erkämpfte hinter dem Keniaten John Ngugi und dem Schwaben Dieter Baumann über 5.000 Meter Bronze.

Für den SC Traktor Schwerin liefen die „Traktor-Motoren“ ebenfalls erfolgreich. Diskus-Gold für Jürgen Schult (1992 Silber) und die erwähnten Medaillen für Andreas Tews und Torsten Voss sowie das Box-Gold 1988 durch Andreas Zülow bewiesen – Schwerin war in Seoul und in Barcelona top drauf.

Dieter Baumann in Schwerin. (Foto: Michels)Auch die Vier-Tore-Stadt Neubrandenburg schürfte 1988 Edelmetall. Einen Doppelerfolg gab es über die 800 Meter für den SC Neubrandenburg – Sigrun Wodars gewann vor Christine Wachtel. Auch im Ruderboot lief es 1988/92 prächtig aus M-V-Sicht: Eine Kathrin, eine Silvia und eine Jana sorgten 1988 in Seoul für Furore. Die gebürtige Wismarerin Kathrin Haacker gewann Gold im Achter, Silvia Rose, aus Barth stammend, erkämpfte Gold im Vierer mit und Jana Sorgers, in Neubrandenburg geboren, errang Gold im Doppelzweier. Für Kathrin Haacker folgte ’92 noch Bronze und für die mit Schwerin verbundene Sybille Schmidt gab es Gold im Doppelvierer in Barcelona.

Und auch Güstrow sowie Stralsund beteiligten sich am Gewinnen olympischer Medaillen. Der gebürtige Güstrower Patrick Kühl (Schwimmen) holte 1988 einmal Silber und der Stralsunder Andreas Behm konnte im Gewichtheben Bronze-Ehren erreichen. Unvergessliche Stunden für den Sport in M-V !

Für Dieter Baumann waren natürlich auch seine olympischen Erfolge die schönsten und nachhaltigsten. Gern erinnert er sich an den Sensationslauflauf von 1988, als er Silber holte: „Es war der Wahnsinn. Leichtathletik-Medaillen für die Bundesrepublik waren ja Rarität – im Gegensatz zu den Sportlern zwischen Ostseeküste und Sächsischer Schweiz. Da wurde sogar eine Polonaise im engen Olympia-Quartier zelebriert.“

Der Speicher-Abend mit Dieter Baumann offenbarte zudem: Sportler haben nicht nur stramme Waden und durchtrainierte Muskeln, sondern bei vielen funktionieren auch die „Hirn-Muskeln“ und das Talent zum Wort-Witz ausgezeichnet.

Aber auch Dieter Baumann beklagte die zunehmende Bewegungsarmut und der Anteil der Übergewichtigen in der Gesellschaft. Mehr als jeder Zweite weist zu viele Pfunde in Deutschland auf – mit exorbitanten Folgen nicht nur für die Betroffenen.

Hätte man diese Entwicklung nicht verhindern können?! Zweifellos. Aber man musste erst ein effizientes Sportsystem zerstören unter dem Deckmantel von „Doping“ und „System-Nähe“, um festzustellen, dass – bevor man zerstört – erst einmal einen Plan A oder B für das „Danach“ in der „geistigen Tasche“ haben sollte.

Dass man damit integre, kompetente Übungsleiter/Trainer aussortierte, die eigentlich dringend benötigt wurden und werden, dass auch ostdeutsche Sportstrukturen durchaus ihre Vorteile hatten – diese Erkenntnisse reiften später, oft zu spät.
Und Doping?! Ob dieses „im Namen von Karl Marx“ (Der wahrscheinlich im Grabe rotieren würde, wenn er über diese Praktiken wüsste!) oder „im Namen von D-Marks“ passierte – das ist gleich schlimm. Und dass auch in der westlichen Welt „auf Teufel komm raus“ vor 1990 und auch danach gedopt wurde, weiß man inzwischen hinreichend. Aber das negieren einige wenig sportive „Schleichwürste“ bis heute, bei denen das Wort Widerstand wohl eher mit „ie“ geschrieben werden müsste.

Dennoch – und hier kann die Gelassenheit und das Motivierende eines Dieter Baumann helfen – sollten alle Sportfans hierzulande, weiter am Ball, auf der Tartanbahn, im Schwimmbecken, am Reck, im Boot oder im Kanu bleiben. Zig Tausende Sportschaffende, meistens ehrenamtlich, leisten auch in M-V Hervorragendes.

Ebenfalls läuferisch. In Schwerin, beispielsweise, gibt es „Lauf-Event an Lauf-Event“ 2011: am 26.Juni den KKH-Allianz-Lauf, am 2.Juli den 27.Schweriner Fünf-Seen-Lauf, am 3./4.September den 19.Poco-Domäne-Zehnkampf, am 6.September den 56.Stundenlauf mit Musik, am 10.September den 2.Ackerlauf, am 11.September den Werner-Cross-Lauf, und am 31.Dezember den Silvesterlauf. Nicht zu vergessen – das sportliche Insel- und Strand-Fest am 2. und 3.Juli in Schwerin-Zippendorf und Kaninchenwerder.

In Rostock, Greifswald, Neubrandenburg, Wismar, Stralsund und anderswo geht es auch ähnlich „laufend“ vorwärts …

Und vielleicht wird ja ein zweiter Dieter Baumann oder Hansjörg Kunze gefunden?! Sport ist jedenfalls das beste Mittel – für die Gesundheit, gegen Frustration, für Leistungsbereitschaft und Erfolge und er ist authentisch, was leider für andere gesellschaftliche Bereiche längst nicht mehr gilt.

Marko Michels

 


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