„Viele der alten beruflichen Rollenklischees haben längst ausgedient…“
Der Girls`Day und Boys`Day im Blickfeld
Auch in diesem Jahr wird wieder ein Girls`Day und Boys`Day in Schwerin zelebriert. Die Mädels sollen sich für „Jungen-Berufe“ begeistern, die Jungen werden animiert, sich für vermeintliche Frauen-Berufe zu entscheiden. Ob das äußerst sinnreich ist oder nicht?!
Der SCHWERIN-BLOG fragte bei dem Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Schwerin, Edgar Hummelsheim, nach
Edgar Hummelsheim über den Girls`Day bzw. Boys`Day, den Fachkräftemangel im Handwerk, die Situation auf dem Ausbildungsmarkt, den Zuspruch vieler Mädchen auch zu Technik-Berufen und Rollenklischees
„Viele der alten beruflichen Rollenklischees haben längst ausgedient…“
Frage: Ende April heißt es wieder „Girls`Day“ und „Boys`Day“ in Schwerin. Werden sich die Handwerkskammer bzw. Handwerksfirmen in Schwerin an dieser Veranstaltung beteiligen?
Edgar Hummelsheim: In den Jahren, als die Schulabgänger-Zahlen noch höher und die Ausbildungsplätze knapp waren, haben wir auch in unserem Bildungs- und Technologiezentrum in Schwerin-Süd Plätze für den Girls`Day angeboten – damals gab es noch gar keinen Boys`Day.
Inzwischen ist die Nachfrage nach potentiellen Auszubildenden so hoch, dass wir die mit dem Girls- and Boys-Day verbundenen Kontaktmöglichkeiten ausschließlich unseren Handwerksbetrieben überlassen. Je direkter der Kontakt zu den Ausbildungsbetrieben ist, desto besser stehen die Chancen, dass sich daraus zunächst ein Praktikum und dann auch ein Ausbildungsverhältnis entwickelt.
Unser Bildungszentrum engagiert sich aber das ganze Jahr über in Projekten der Berufsorientierung für Schülerinnen und Schüler ab der achten Klasse.
Frage: Ist so ein Tag in Zeiten des punktuellen bzw. partiellen Fachkräftemangels überhaupt noch zeitgemäß? jede/jeder macht doch auch ohne diesen besagten Tag das, was sie/er beruflich möchte…
Edgar Hummelsheim: Natürlich kann man unterschiedlicher Auffassung darüber sein, ob das Thema diesen besonderen Tag benötigt. Das gute am Girls- und Boys-Tag ist aber auf jeden Fall, dass er jungen Menschen die Möglichkeit bietet, ihre beruflichen Möglichkeiten jenseits gängiger Klischees und Rollenbilder zu testen. So wird das eine oder andere Mädchen feststellen, das Technik faszinierend sein kann und Jungs können ausprobieren, wie kreativ der Friseurberuf ist.
Frage: Wie ist es um den Fachkräftebedarf bei den Firmen der Handwerkskammer Schwerin tatsächlich bestellt? Wo bestehen konkret Bedarfe?
Edgar Hummelsheim: In nahezu allen Handwerksbranchen werden Nachwuchs- und Fachkräfte gesucht. Vor allem in den derzeit stark nachgefragten Bau- und Ausbaubetrieben herrscht ein großer Mangel. Der Bauverband hat vor kurzem gemeldet, dass die Branche durchaus 20 Prozent mehr Beschäftigte einstellen könnte – wenn es sie denn gäbe.
Frage: Wie viele Mädels/Frauen arbeiten heute eigentlich in handwerklichen Firmen in Schwerin? Gibt es echte Aufsteigerinnen?
Edgar Hummelsheim: Bei den Auszubildenden beträgt der Mädchenanteil seit Jahren relativ konstant zwischen 18 und 20 Prozent. Der Anteil der Frauen, die Inhaberinnen, Geschäftsführerinnen oder Betriebsleiterinnen im Handwerk sind, liegt ebenfalls bei rund 18 Prozent. Frauen finden sich dabei nicht nur in den klassischen Berufen wie Friseurin oder Kosmetikerin, es gibt auch Frauen, die Dachdecker- oder Gerüstbaubetriebe führen, die Autohäuser mit Kfz-Werkstätten leiten oder Malermeisterinnen sind.
Frage: Wie steht es um die Jungen/Männer? Streben die mittlerweile auch zu den „soften“ handwerklichen Tätigkeiten?
Edgar Hummelsheim: Ich weiß nicht, was Sie unter „soft“ verstehen, aber Jungs und Männer zieht es beileibe nicht nur auf den Bau oder an die Motoren. Es gibt auch Zahntechniker, Hörgeräteakustiker, Augenoptiker, Musikinstrumentenbauer oder Bäcker. Ich denke, viele der alten beruflichen Rollenklischees haben längst ausgedient und gerade das Handwerk bietet Männern wie Frauen eine große Bandbreite von Möglichkeiten, ein erfüllendes und befriedigendes Berufsleben zu führen.
Vielen Dank und weiterhin bestes handwerkliches Engagement!
Die Fragen stellte: M.Michels.