„Vive la France“ in Schwerin
Eine Französin „mischt“ M-V „auf“…
Keine Mecklenburgerin in Bayern! Keine Amerikanerin in Paris! Keine Russin in Peking! Nein, eine Französin in Schwerin. Seit nunmehr 5 Jahren mischt Cecile Bonnet das politische Geschehen in Schwerin auf. Eine abenteuerlustige Frau mit einem Faible für Humor, denn ansonsten ist ihr Engagement für die „Restbestände“ der FDP in der Stadt und im Land kaum erklärlich. Tja, Frauen und die Politik. Da hilft mitunter nur ein leichtes Schmunzeln.
Der „historische Background“
Geboren wurde Cecile dabei im Jahre 1982. 1982! Was war da noch gleich? Klar, der schwarze Helmut (Kohl) löste den roten Helmut (Schmidt) als Bundeskanzler ab. Francois Mitterrand regierte in Frankreich als Staatspräsident. Aber das Wichtigste des Jahres passierte in Spanien. Bei der dortigen Fußball-WM bezwang Deutschland-West im Halbfinale Frankreich in einem denkwürdigen und emotionsreichen Spiel mit 5:4 nach Elfmeterschießen (3:3 nach Verlängerung). Tja – und dann kam eben noch Cecile B. zur Welt.
Und diese besagte Cecile zog es tatsächlich vom Land des guten Weines, der köstlichen Croissants und der schicken Mode ausgerechnet in die einstige Bezirkshauptstadt des „ersten Arbeiter- und Bauern-Staates auf deutschem Boden“. Ich denke mal, das Wort „Kulturschock“ dürfte kaum gereicht haben, als Cecile Schwerin zum ersten Mal erreichte. Aber wenn nicht genügend Geld im Portemonnaie für die Rückfahrkarte ist, bleibt „frau“/man eben in Schwerin… Oder?!
Französischer Blick auf M-V
Wie blickt aber eine Französin, die inzwischen den Bund fürs Leben schloss, nicht nur mit der FDP, sondern auch mit ihrem „Herz-Ass“, auf Schwerin, das in diesem Blog schon mehrfach gelobt und getadelt wurde?!
Cecile Bonnet-Weidhofer, Mitglied der Stadtvertretung Schwerin und stellvertretende Landesvorsitzende der FDP M-V, über die „Weltlage“, ihren „Kulturschock“, die Sympathien für M-V, ihre politische Zuneigung zur FDP, aktuelle Probleme in Europa und in Schwerin sowie die deutsche Einheit
„Anpacken statt abwarten…“
Frage: Cecile, die Welt gerät aus den Fugen: Mehr als 40 Kriege auf der Welt, Millionen Flüchtlinge kommen nach Europa, die Finanz- und EURO-Krise ist noch nicht überwunden, die Weltwirtschaft lahmt, der Weltsport wird immer kommerzieller, die Frauen wollen nicht mehr nur kochen und Kinder bekommen, sogar Deutschland wird von einer Frau regiert, die nur lapidar sagt „Wir schaffen das!“. Schaffen wir das alles wirklich oder werden wir geschafft?
Cecile Bonnet-Weidhofer: Ach ja, man könnte meinen, es gibt keine andere Möglichkeit, als das alles zu überstehen und deswegen schaffen wir das alles. Irgendwie. „Muss ja“ heißt es von manchen meiner Freunde in ihrem ganz eigenem sympathischem Sprachgebrauch.
Aber ernsthaft: Entscheidend für die Frage, ob „wir das schaffen“ oder „ob wir geschafft“ werden, ist die Frage, ob Menschen – also wir alle – als mündige Bürger unser Leben gestalten dürfen oder es gestaltet bekommen.
Man kann Krisen ertragen und darauf hoffen, dass jemand die Hände bedächtig zusammenlegt und alles für einen regelt, oder aber man erkennt in jeder Krise die Chance, etwas Neues zu wagen, aus Fehlern zu lernen, neue Dinge auszuprobieren.
Die meisten Krisen unserer Zeit resultieren daraus, dass einige Wenige immer gemeint haben zu wissen, was für alle gut ist. Wie wir wissen, ist es aber ziemlicher Wahnsinn, immer wieder das Gleiche zu probieren und andere Ergebnisse zu erhoffen. Deswegen sollten wir uns nicht zurücklehnen und (von) „Mutti“ schaffen lassen, sondern die vielen Impulse der Bürgergesellschaft, gerade bspw. in der Flüchtlingshilfe nutzen.
Viele Menschen werden selbst aktiv, helfen ehrenamtlich, spenden, packen an. Das ist ein Spirit, mit dem jede Krise zu meistern ist. Anpacken statt abwarten. Das ist ein Spirit der mir gefällt.
Frage: Was viele nur mit einem müden Kopfschütteln quittieren… Warum in alles in der Welt entschieden Sie sich für Schwerin – und als ob das nicht schon reichte – auch noch für die FDP… Fehlt nur noch, dass Sie einen Sozi ehelichen… Also, wie kam es dazu, zu Ihrer Entscheidung für Schwerin?
Cecile Bonnet-Weidhofer: Ich gestehe, es war nicht leicht, das Mittelmeer gegen die Ostsee zu tauschen, aber den Tausch habe ich in den letzten fünf Jahren, in denen ich in Schwerin wohne, nicht bereut. Ich kam 2010 wegen einer Stelle nach Schwerin und bin wegen der Liebe geblieben.
Meine Sympathie für Mecklenburg-Vorpommern ist wohl ansteckend. Meine Mutter hat mittlerweile vor einem guten Jahr ihr Koffer in Schwerin ausgepackt und quält sich fleißig mit Wörtern wie „Eichhörnchen“ oder „Rindfleischetikettierungsüberwachungsaufgabenübertragungsgesetz“.
Gut, letzteres ist kein offizieller Zungenbrecher, dieser bringt mich jedoch – in allerlei Hinsicht immer zum Lachen, aber auch zum Kopfschütteln. Da schließt sich der Kreis zur FDP. Solche Wortschöpfungen sind amüsant, der Gedanke, der politisch allzu oft hinter solchen „Gesetzesmonstern“ ruht, eher nicht und in Deutschland sind die Freien Demokraten die einzigen, die im Parteienspektrum den Menschen mehr zutrauen und sie nicht als zu bevormundende Untertanen ansehen. Wenn ich sage „l’Etat, c’est toi“ führt das vermutlich zur völligen Verwirrung, oder?
Frage: Jetzt aber ganz ernsthaft… Die Stadt Schwerin hat auch ihr Gutes! Dennoch ist die Entwicklung ambivalent… Es gibt viel Positives im Hinblick auf Kultur, Sport und die Natur zu berichten, aber was wirklich nervend ist, sind die ständigen Diskussionen um klamme Kassen. Wie ist Ihre Meinung zu Schwerin? Was könnte, was müsste besser werden?
Cecile Bonnet-Weidhofer: Nun, klamm sind die Kassen in kommunaler Ebene leider wirklich, aber insgesamt ist Deutschland ein unglaublich reiches Land. Wenn wir lesen und hören, dass im Bund schon fast händeringend nach neuen Möglichkeiten gesucht wird, hier und dort noch Geld auszugeben, während die Kommunen regelmäßig kurz vor dem Kollaps stehen, wird klar, wir haben kein Einnahmeproblem, sondern schlicht ein Ausgaben- und ja, auch ein Verteilungsproblem.
Mit Verteilungsproblem meine ich aber nicht etwas, was vom linken Spektrum gern als Grund für noch mehr Abgaben, Steuern und Gebühren artikuliert wird, sondern das viele, viele Geld, das die Staatskasse einnimmt, landet in der falschen Ebene.
Wenn wir Aufgaben bei Kommunen lassen oder ihnen geben – wie jetzt beispielsweise bei der Versorgung von Flüchtlingen – muss diesen Aufgaben auch immer die finanzielle Ausstattung folgen. Das deutsche Wort dafür heißt Konnexitätsprinzip.
So ein schwieriges Wort braucht es aber gar nicht. Wenn man einen Moment darüber nachdenkt, ist das völlig “ logique“. Die Menschen vor Ort wissen immer am besten, was sie brauchen, was sie dafür aus der gemeinsamen Kasse ausgeben wollen und wo sie vielleicht dafür an anderer Stelle auch einsparen müssen.
Da müssen wir grundsätzlich etwas in Mecklenburg-Vorpommern und Deutschland ändern. Ganz konkret und kurzfristig, können wir aber in Schwerin auch jetzt schon viel mehr aus unseren „klammen“ Möglichkeiten machen.
Sei es durch viel spannenderes Marketing unserer Stadt in Sachen Tourismus, als lebenswerte Stadt für junge Familien und Menschen die etwas neues wagen wollen, vielleicht sogar eine Firma gründen möchten etc. Dafür können wir schon jetzt Weichen stellen, dafür müssen wir aber mutiger und pfiffiger werden und nicht darauf warten, dass uns jemand helfen kommt.
Frage: Werfen Sie doch Ihr „Croissant“ in den Ring und kandidieren im nächsten Jahr als OB. Einen Franzosenweg hat Schwerin schon! Warum dann nicht einen Französinnen-OB-Sessel im Stadthaus?
Cecile Bonnet-Weidhofer: Und dann den 14. Juli als Feiertag in Schwerin erklären? Es hätte schon was! Aber legen wir den Spaß kurz zum Croissant beiseite. Ich finde wir sollten grundsätzlich Politik in unserem Land über- und gewissermaßen auch neu denken. Das geht über viele Ecken aber ganz oft nur auf Bundes- oder Landesebene.
Die Landespolitik kann – entgegen so mancher Haltungen von Landespolitikern, von denen man manchmal das Gefühl hat, sie selbst seien schon der Meinung, viel zu lang dabei zu sein – dafür eine Menge machen.
2016 haben wir in Mecklenburg-Vorpommern die Chance frischen Wind und neue Ideen einzubringen. Dem wollen wir uns als Freie Demokraten voll widmen. Dann können wir für Schwerin und alle anderen Kommunen in MV einiges bewegen. Dafür trage ich dann auch gern Croissants den Franzosenweg entlang in unsere zukünftige Fraktion.
Frage: Sie waren Spitzenkandidatin der FDP in M-V bei den letzten „Europa-Wahlen“. In welchem Zustand befindet sich aus Ihrer Sicht „der alte Kontinent“? Die USA, China, Indien, Korea, Australien oder auch Brasilien gelten als die Wirtschaftsmächte der Zukunft. Europa scheint auf dem Abstellgleis zu sein – oder?
Cecile Bonnet-Weidhofer: Ich glaube, dem Kontinent geht es bis auf ein paar Vulkane in Italien ganz gut. Bedenkenswert ist die Lage der EU. Ja, die „alte Dame“ hätte eine gründliche Untersuchung nötig.
Wenn wir langfristig konkurrenzfähig bleiben wollen, müssen die Mitgliedstaaten endlich damit anfangen, gemeinsame Politiken – ob zum Beispiel in der Flüchtlingsfrage, der Energie, der Außen- und Sicherheitspolitik – zu entwickeln.
Wir dürfen nicht vergessen, was uns ausmacht: Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtstaatlichkeit, Wahrung der Menschenrechte. Alles fragile Werte, die jeden Tag aufs Neue beschützt werden müssen aber keinesfalls verhandelbar sind. Das ist ein hohes Gut, das keinesfalls irgendwie auf ein Abstellgleis der Geschichte gehört, sondern gelebt werden muss.
Frage: Die Flüchtlingsproblematik überlagert zurzeit alle anderen Themen. Wie beurteilen Sie die Aufnahmebereitschaft und die Aufnahmemöglichkeiten der Deutschen, auch speziell in Schwerin?
Cecile Bonnet-Weidhofer: Es ist ein schwieriges Thema, was oft zu emotional geführt wird, um konstruktiv vorangetrieben zu werden. Viele Verlautbarungen von Politikern in den Medien oder Aktionen von Verwaltungen helfen dabei überhaupt nicht.
Die Informationspolitik der Stadt Schwerin ist mehr als ausbaufähig. Erst in den letzten zwei Wochen wurden große Info-Veranstaltungen organisiert, obwohl es klar vorauszusehen war, dass die Aufnahme von Flüchtlingen zunehmen würde. Die Kitas und Schulen werden überfordert, und die Antworten der Verwaltung auf Fragen nach einer langfristigen Integrationspolitik sind nicht zufrieden stellend.
Wenn bürgerschaftliches Engagement nicht positiv und konzeptionell von der Politik und Verwaltung begleitet wird, gerät es irgendwann an seine Grenzen oder – noch schlimmer – durch fatale Fehlentscheidungen und fehlende Kommunikation kann die Stimmung in der Bevölkerung kippen. Da erwarte ich sowohl von der Bundesregierung, als auch vom Land und von der Stadtverwaltung gleichermaßen viel mehr Engagement. Agieren statt reagieren.
Die FDP hat dazu einige Vorschläge gemacht, die in Berlin oder Düsseldorf genauso logisch und richtig sind, wie sie es auch in Schwerin sind. Wir brauchen schnelle unbürokratische Möglichkeiten für Flüchtlinge, sich über Bildung verschiedenster Wege zu integrieren, wir brauchen einen schnellen unbürokratischen Zugang zum Arbeitsmarkt, wir müssen viel effizienter Asylanträge abarbeiten und wir dürfen die Menschen, die teilweise unter krassesten Bedingungen ihr Leben gewagt haben, um es hier neu in die Hand zu nehmen, nicht in irgendwelche Heime abschieben und sie dort zum Nichts tun zu verdammen.
Das sind alles Dinge, bei denen Bund, Länder und Kommunen schnell tätig werden müssen und eigentlich auch könnten.
Frage: Was sind Ihre persönlichen, politischen und beruflichen Ziele? Haben diese auch mit Schwerin zu tun?
Cecile Bonnet-Weidhofer: Nun, neben dem Franzosenweg, der zum Landtag führt, gibt es auch viele andere Wege, die spannend und einladend wirken. Es macht Spaß, Dinge nach vorne zu bringen und verkrustete Strukturen zu hinterfragen. Das mache ich in der Stadtvertretung sehr gern.
Das erste Jahr war unglaublich spannend und lehrreich. Inzwischen konnten wir auch zusammen mit engagierten Bürgerinnen und Bürgern zum Beispiel in Fragen der Kita-Gebühren oder bei der Tagesmütter-Thematik einiges erreichen.
Man merkt bei solchen Themen, dass man oft dicke Bretter bohren muss, aber der Erfolg einen dann immer wieder neu beflügelt. Das macht Spaß, und was einem Spaß macht, das macht man gern und was man gern macht, das macht man dann eigentlich auch ziemlich oft gut. Das geht aber auch nur, wenn man Unterstützung bekommt.
Ohne den Rückhalt meines Ehemanns würde mein Engagement scheitern. Ich bin ihm, unserer Familie und unseren Freunden sehr dankbar für die Geduld, die sie mit mir haben. Momentan steht die Familienplanung auf der Agenda. Ich musste aber meinem Mann versprechen, dass ich die Wände nicht Magenta streichen darf, wenn wir mal eine Tochter bekommen.
Frage: Und noch „ein paar Wörter“ zu 25 Jahren deutsche Einheit… Als Französin und Europäerin: Wie bewerten Sie die deutsch-deutsche Einigung?
Cecile Bonnet-Weidhofer: Ich kann mich genau an den Tag erinnern, als die Mauer fiel. Meine Mutter und ich guckten Nachrichten in einem kleinen Haus bei Aix-en-Provence. Ich war 7, ich verstand nicht ganz, was passierte. Meine Mutter sagte mir damals, Cecile, guck dir diese Bilder an und vergiss sie nicht. Es geschieht gerade etwas, das man nur einmal im Leben erlebt.
Anfang der 1990er packten wir dann ein Zelt und Luftmatratzen in ihren kleinen Peugeot (Na, wenigstens keinen VW! – red. Anm.) und wir fuhren nach Deutschland. Seitdem fühle ich mich mit diesem Land verbunden, das bereits bei mehreren Generationen von Menschen in meiner Familie unterschiedliche Erinnerungen hervorrief.
Ich kann mir natürlich nicht vorstellen, wie es damals war, als eine Bevölkerung getrennt lebte. Ich kann mir kaum vorstellen, wie es sich anfühlen musste, gefangen im eigenen Land zu sein und hinter einer sichtbaren oder unsichtbaren Mauer groß zu werden.
Was ich aber gut nachvollziehen kann ist, wenn Vorurteile, Diskriminierungen und Ängste vom Fremdsein den Verstand betäuben. Vor 25 Jahren sind Frauen und Männer auf die Straße für Freiheit und Demokratie gegangen. Die Werte, die damals friedlich eingefordert und erstritten worden sind, sollten wir heute aktiv mit Leben füllen. Friedlich, zukunftsorientiert, angstfrei und gemeinsam.
Vielen Dank, dann statt Champagner ein frisch gezapftes „Schweriner Pils“ am 3.Oktober und zum Mittag statt Bouillabaisse bzw. Ratatouille einfach Eisbein mit Sauerkraut probieren… Ansonsten alles erdenklich Gute – persönlich, beruflich und politisch.
Marko Michels
PS: Wer das Lebensgefühl der Franzosen oder Französinnen a la Cecile Bonnet-Weidhofer „nachempfinden“ möchte, sollte sich dazu den obligatorischen Song der Bläck Fööss anhören („www.youtube.com/watch?v=t28dh6alpYs“ – Einfach bei der Suchmaschine des eigenen Vertrauens eingeben!). mm