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15. Schweriner Literaturtage mit kongenialem Autor begonnen

Doch Schweriner zeigen wenig Interesse für die Auftaktveranstaltung

Am gestrigen Dienstagabend begannen nun bereits zum 15. Mal die Schweriner Literaturtage. Und das mit dem Preisträger der Leipziger Buchmesse von 2008, Clemens Meyer. Sein aktuelles Buch „Gewalten. Ein Tagebuch“ war dann auch Gegenstand der Lesung. Und es steht in keinster Weise Meyers beiden bisherigen Büchern nach.

Clemens Meyer lässt den Leser die Gewalten unserer Zeit mit- und nacherleben. Er erzählt nicht aus seinem Leben, dass wäre auch, wie er sagt, „zu uninteressant“ bzw. „nicht für die Öffentlichkeit gedacht“, nein, er durchläuft in elf Kapiteln elf fremde Leben, Szenen, und Orte von unheimlicher und verstörender Art. Mit einer ihm eigenen poetischen Brillianz schreibt er Prosa, die irgendwo zwischen Erzählung und Roman liegt. Irgendwo zwischen Fiktion und Realität. Zwischen Hemingway und Kafka.

Die Lesung war überaus interessant, hatte nur einen kleinen fahlen Beigeschmack. Nicht, dass das Publikum ausblieb, aber nahe dran war es schon. Viele Sitzplätze blieben leer. Wenn immer wieder bekräftigt wird, Schwerin sei Kulturstadt, so hat man davon nichts gemerkt. Nein, Kulturstadt schon, doch Kulturbürger gibt es kaum.
Dieses Mal fand die Eröffnungsveranstaltung nicht im Perzina-Saal der Stadtbibliothek sondern im Saal des Schleswig-Holstein-Hauses statt. Aber kann das ein Grund sein? Wahrscheinlich war der Autor (Jahrgang ’77) den Schwerinern nur einfach zu jung!?
Eröffneten zum Beispiel in den letzten beiden Jahren noch Sigrid Löffler (Jahrgang ’42) sowie Klaus Wagenbach (Jahrgang ’30) die Schweriner Literaturtage, beides Urgesteine der Literatur- und Verlagsszene mit prägendem Charakter diese bezüglich, so scheint nun ein Rückschritt gelungen zu sein. Aber nur scheinbar, denn Clemens Meyer macht Literatur. Erster Güte.

Leider ist es in Schwerin mit schöngeistiger Literatur nicht so einfach. Die unter 40-Jährigen bevorzugen ihre trivialen Unterhaltungsromane in häuslicher Lesestunde und die Schweriner oberhalb der 40 machen sich nichts aus Autoren, die jünger als sie selbst sind!? Wieso auch das geschriebene Wort genießen? Es reicht doch völlig aus, bei der BILD und einem der unzähligen Besser-Leben- und Diätenratgeber zu bleiben.
Man kann gespannt sein, wie es bei den weiteren Lesungen aussieht.

Es sei nur noch einmal den unermüdlichen Geistern hinter den Literaturtagen für deren Engagement gedankt.
Und allen Meckerern gesagt: Bevor man sich über den Kulturabbau mokiert, sollte man auch einmal seinen Sessel verlassen und eine der zahlreichen Veranstaltungen besuchen.

Schwerin ist Kulturstadt

von Patrick Dettmann


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