Erhöhung der Abfallgebühren ist beschlossene Sache. Trotz weniger Hausmüll müssen Schwerins Bürger ab 2012 tiefer in die Tasche greifen.
„Mülltrennung ist schließlich die einfachste Methode, um die Abfallmengen in unserer Stadt kräftig zu reduzieren, die Müllgebühren zu dämpfen und die im Abfall versteckten Rohstoffe wiederzuverwerten“, erklärte Oberbürgermeisterin Angelika Gramkow noch im „Ratgeber sauberes Schwerin“ der SDS. Auch im Abfallratgeber der Stadtwirtschaftlichen Dienstleistungen Schwerin (SDS) wird hervorgehoben: „Abfallvermeidung: Schont die Umwelt, Spart Rohstoffe und Energie, Verringert Kosten und Gebühren.“
Das klingt logisch und jeder würde diesem Gedankengang sofort zustimmen, gäbe es da nicht die im Sommer erhobene Gebührenkalkulation des städtischen Eigenbetriebs. Und mit der Stadtvertreterversammlung vom 19. September 2011 ist die geforderte Gebührenerhöhung amtlich. Um 12,6 Prozent sollen die Gebühren ab dem 01.01.2012 steigen. Pro Haushalt etwa 25 bis 30 Euro mehr im Jahr.
Offiziell heißt es, neben den gestiegenen Entsorgungskosten spiele die Verringerung des Abfallvolumens in den Großwohnsiedlungen eine Rolle. So hätten Wohnungsunternehmen durch gezieltes Abfallmanagement zwar das Abfallvolumen senken können, doch sei das für die SDS kostenrelevante Abfallgewicht annähernd konstant blieb. Die SDS lehr in ihrem Einzugsgebiet regelmäßig rund 15.700 Restmülltonnen.
Jetzt stellt sich einem natürlich die Frage, wie dies zu verstehen ist. Darüber macht der städtische Eigenbetrieb in seiner Pressemitteilung keine genaue Aussage, nennt auch keine Zahlen und Werte.
Sicherlich schicken die Wohnungsunternehmen den Abfall nicht durch eine Müllpresse bevor dieser in der Tonne und schließlich bei der SDS landet. Eine Erklärung ist vielleicht die gezieltere Trennung von Leichtverpackungen und Hausmüll. So haben Verpackungen trotz ihres relativ großen Volumens nur wenig Eigengewicht. Reduziert der Verbraucher nun gewissentlich seinen Hausmüll um eine bestimmte Menge Verpackungsmaterial, dann verringert sich zwar die Menge des Hausmülls, das im Verhältnis stehende Gewicht jedoch kaum. Für die Entsorgung von wiederverwertbaren Verpackungsanteilen braucht der Bürger keine Abfallgebühren zu entrichten, bezahlt er die Entsorgung bereits mit dem Kauf von Lebensmitteln und anderen Konsumartikeln – ganz im Gegensatz zur Entsorgung von Restmüll. Die Entsorgung der Biomülltonne verursacht ebenso keine zusätzliche Gebühr.
Und da der Verbraucher seinen Hausmüll nach Tonnen, also Volumen, zahlt, der SDS zufolge für den Abfallentsorger, der diesen zur Deponie oder Verbrennungsanlage weiterführen muss, finanziell hingegen das Abfallgewicht eine Rolle spielt, entsteht für die SDS ein finanzielles Defizit, dessen Ausgleich nun wieder dem Bürger zu Lasten gelegt wird.
Lohnt sich Mülltrennung überhaupt?
Ja. Trotz der Gebührenerhöhung lohnt sich Mülltrennung allemal, schon aus ökologischen Gesichtspunkten. Zumal ein Optimum bei der Sortierung sowie Verwertung der Wertstoffe noch lange nicht erreicht ist und Rohstoffe bekanntlich nicht unbegrenzt verfügbar sind.
Im Bundesvergleich steht Schwerin sowie Mecklenburg-Vorpommern in puncto Müllverursachung und -verwertung sogar recht gut da. Betrachtet man den jährlich insgesamt anfallenden Abfall, so liegt M-V, laut Statistischem Bundesamt, mit rund 418 kg/Einwohner (Stand 2009) deutlich unter dem Bundesdurchschnitt (455 kg/Einw.). Schlusslicht ist Rheinland-Pfalz mit 516 kg/Einwohner. Die getrennt gesammelten Wertstoffe haben in M-V dabei einen Anteil von 32 Prozent (134 kg/Einw.). Über das im Verhältnis stehende Müllvolumen macht das Bundesamt jedoch keine Aussage in ihrer Erhebung.
Noch genauere Angaben macht der INSM Abfallmonitor 2008. Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln Consult GmbH (IW Consult) untersuchte im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) die Abfallgebühren der nach Einwohnern 100 größten Städte in Deutschland. Dabei wurden jeweils die jährlichen Kosten für Hausmüll, Biomüll, Wertstoffe und Sperrmüll für eine vierköpfige Musterfamilie miteinander verglichen. Schwerin positionierte sich danach in Bezug auf das Preis-Leistungsverhältnis sogar auf Rang 7.
Schwerins Abfallgebühren sind günstig
Die Stadt Wiesbaden ist der Sieger dieses umfassenden Gebührenvergleichs. Die hessische Landeshauptstadt erreicht 153,2 Punkte (Durchschnitt = 100) und hat damit das beste Preis-Leistungsverhältnis aller untersuchten Städte. Schwerin liegt mit 140 Punkten auf Rang 7, Schlusslicht ist Bergisch Gladbach mit 35,6 Punkten.
Werden ausschließlich die Müllgebühren betrachtet, fallen die günstigsten in den Städten Gelsenkirchen, Schwerin und Cottbus an. In Schwerin wurde dabei zwischen zwei Services differenziert: 1 Woche sowie 2 Wochen Teilservice. Beim Teilservice hat im Gegensatz zum Vollservice der Anschlusspflichtige dafür zu sorgen, dass zum Zeitpunkt der Leerung die Abfallbehälter an der Strasse stehen und sie danach auch wieder entfernt werden.
In 35 der 100 Städte findet man einen 1 Woche Teilservice. Schwerin liegt hinter Gelsenkirchen auf Rang 2. Der Mittelwert der jährlich erhobenen Gebühren beträgt dabei 171 Euro pro Haushalt. Die Bielefelder müssen im Mittel 467 Euro im Jahr berappen.
In 57 Städten werden die Abfallgebühren nach dem 2 Wochen Teilservice erhoben. Wiederum liegt M-Vs Landeshauptstadt auf Position 2. Im Mittel muss danach jeder Haushalt 162 Euro Gebühren pro Jahr zahlen (Letzter Rang: Bergisch Gladbach,385 Euro).
Einen Vollservice gibt es in Schwerin nicht.
Mecklenburg Vorpommern liegt im direkten Ländervergleich auf Rang 3 mit durchschnittlich 244 Euro jährlich pro Haushalt (Rang 1: Brandenburg, 168 Euro;- Letzter: Hamburg, 399 Euro).
‚Mehr Müll gleich höhere Gebühren‘ trifft nicht immer zu
Auch nach Aussagen des Abfallmonitors 2008 bedeutet mehr Müll in der Regel auch höhere Gebühren. Jedoch treffe dieser eigentlich logische Zusammenhang nicht immer zu, da dies sowohl vom jeweiligen Gebührensystem als auch vom Tonnenangebot abhänge. Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln Consul weist darauf hin, dass die Vielzahl der verschiedenen Gebührensysteme ein entscheidender Grund für die Schwierigkeiten beim Vergleich: „Wer ist teuer?“ und „Wer ist billig?“ waren. Es wurde auch untersucht, wie stark die Sparanreize in den einzelnen Gebührenordnungen sind. Dabei wurde untersucht, welche Kostenersparnis die Bürger realisieren können, wenn sie ihre Müllmenge in der Supersparvariante von 98 auf 30 oder von 98 auf 60 reduzieren würden. In einigen besteht keinerlei Einsparpotenzial und dadurch dürfte das Interesse der Bürger an kleineren Abfallmengen auch stark eingeschränkt sein. In Hamburg, Gera, Bremerhaven, Mainz und Siegen werden nur geringe finanzielle Anreize zur Müllreduktion gegeben. In Augsburg, Leipzig und Neuss (letzter Tabellenrang) kann der Bürger trotz möglicher Sparanstrengungen, bedingt durch ihr Gebührensystem, seine Gebührenrechnung nicht reduzieren.
In dieser 2008 erhobenen Datenauswertung finden sich bereits Anhaltspunkte, dass auch in der Landeshauptstadt Mecklenburg-Vorpommerns die Müllgebühren kaum von den Einsparungen der verschiedenen Abfallmengen abhängen. So läge Schwerin bei einer Realisierung der ‚Supersparvariante‘ von 98 auf 30 Liter mit einer Kostenersparnis von rund 21,2 Prozent auf Rang 79 (Recklinghausen mit 73,5 Prozent, Platz 1), bei der Variante von 98 auf 60 Lieter mit ebenfalls 21,2 Prozent auf Position 85 (Recklinghausen, 50 Prozent, Platz 1) und bei der Variante von 60 auf 30 Liter läge die Kostenersparnis bei 0 Prozent (Rang 68; Recklinghausen: 46,9 Prozent, Platz 4).
Abfallwirtschaft muss transparenter werden
Die Zahlen aus 2008 können dabei optimal zu der aktuellen Gebührenerhöhung herangezogen werden, denn seither sind die Abfallgebühren in Schwerin konstant geblieben. Schade nur, dass von offizieller Seite immer wieder betont wird, wie viel man doch durch Mülltrennung und weniger Müllerzeugung sparen könne, anschließend aber Abfallunternehmen ihre Finanzeinbußen dann weniger mit struktuellen und ökonomischen Veränderungen ausgleichen, als diese dem Verbraucher anzulasten.
So lautet das Fazit des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln Consult GmbH: „Es lassen sich bei den Abfallgebühren kaum strukturellen Zusammenhänge erkennen, was bedeutet, dass die Höhe der Gebühren mit üblichen Strukturvariablen, wie Einwohnerdichte, Wirtschaftsleistung, Verschuldung etc. nicht erklärt werden kann. Aufgrund der großen Unterschiede bei den Preisen sind hier in erster Linie die Städte gefordert, um mehr Transparenz in den Gebührendschungel zu bringen. Für den Bürger ist es jedenfalls nicht ersichtlich, warum in seiner Stadt die Abfallgebühren dreimal so hoch sind wie in anderen Städten. Da er aber letztlich derjenige ist, der die Gebühren bezahlen muss, hat er auch ein Recht, die Gründe zu erfahren.“
Von Patrick Dettmann